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Im Informationszeitalter

Im Informationszeitalter

Titel: Im Informationszeitalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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vernichtet, von deren Ende sie gerade lebt.” (Kossellek 1979, S. 30). In diesem Sinn sind weder Amery noch Lem apokalyptische Propheten, denn beide sehen den Sinn ihrer finsteren Zukunftsbilder darin, die Katastrophe vielleicht doch noch abwenden zu können: “Nur diese äußerste Gefahr kann jenen ungeheuren Wandel des Bewußtseins erzwingen, der aus der Menschlichkeit des Menschen eine neue Gestalt der geschichtlichen Vernunft hervorgehen läßt.” (Picht in: Apel/Böhler/Berlich 1980, S. 459) Der Religionsphilosoph Picht faßt damit zusammen, was sowohl Amery als auch Lem indirekt andeuten: angesichts des Ausmaßes einer möglichen Katastrophe kann sich auch eine positive Wende in der Geschichte der Menschheit ergeben.
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    gerade dadurch, daß die Rudimente einer vergangenen Zeit omnipräsent sind.
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       Keine der handelnden Personen behält in “ Passau” die unschuldige Reinheit der Person wie “Sonne-von-links” in “An den Feuern der Leyermark”, der Indianer, der nach Bayern ausgewandert ist.
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       In der “Magnalia Dei per Gentem Rosmeriorum” läßt sich verfolgen, wie die Selbstverteidigung der Rosmer in einen “Heiligen Krieg” umgedeutet wird: (in Frakturschrift) “Und als Werkzeug des Zornes war das Volk der Rosmer auserwählt, weil von Anfang an Feindschaft gesetzt war zwischen ihnen und dem Babylon Passau.” (Passau, S. 7) Wie im “Königsprojekt” übernimmt die Kirche säkulare Verantwortung durch ihre Parteilichkeit. In Passau wurde auf die stützende Rolle einer Religion bewußt verzichtet; Geschichte wird durch die Bürokratie in den Händen Eva Piczien verwaltet.
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    In der Biographie des Lois Retzer wird bemerkt, daß dieser bereits vor der Katastrophe in seiner Studentenzeit plante, eine Arbeit mit dem Titel “Grundriß des ökologischen Materialismus” zu veröffentlichen (vgl.: Passau, S. 98). Im Text kann er als Sprachrohr Amerys gelten; indem Lois am Ende scheitert, gibt auch er seine Ratlosigkeit gegenüber der gegenwärtigen Situation zu.
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    Auch in Amerys Europa-Konzeption beispielsweise bevorzugt er die “kleine Lösung”: “Amery schlägt für Europa eine Föderation aus vierzig Bundesstaaten mit eigenen Aufgaben und regionalem, auch historischem Profil vor.” (Kurtz 1992, S. 21)
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    “Lois erklärt Malte den Begriff “Politik” so: “Du sitzt auf was und gibst es nimmer her, auch wenn du selber gar net alles brauchst.” (Passau, S. 104)
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    Das Terrorregime der “Dreißig Tyrannen” hatte ernüchternd auf ihn gewirkt, nachdem er seine Hoffnung auf die Oligarchie von 404/03 v. Chr. gesetzt hatte.
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       Der erste Kongreßtag endet schon auf Seite 38; der Rest der Erzählung konzentriert sich auf die Traumhandlung.
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       Amery erwähnt diesen Aspekt ebenfalls in “Die Botschaft des Jahrtausends “, allerdings in einem anderen Zusammenhang: “Wenn die zukünftige Welt bewohnbar sein soll, muß sie fehlerfreundlich sein…” (Amery 1994, S. 158) Die Alternative Amerys zur “Spezialistenmonokultur” ist die multikulturelle Gesellschaft, in der die Vielfalt der Traditionen immer neue Lösungsansätze für zukünftige Probleme bieten kann.
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       “Tichy” bedeutet polnisch: “Der Schweiger”, eine ironische Anspielung auf seine Fabulierlust; im “Futurologischen Kongreß” wird diese allerdings auf eine ungewohnt nüchterne Art reduziert.
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       Die Phantomatik läßt sich wiederum bei Lem unterscheiden: die zentrale Phantomatik bezieht sich auf den Verlust der Wahrnehmungsfähigkeit zum Beispiel durch Drogenexperimente; die periphere Phantomatik dagegen beschreibt die Wechelwirkungen zwischen einem Empfänger und einer künstlichen Realität, zum Beispiel in der Interaktivität von Massenmedien und Publikum (vgl.: Hennings 1983, S. 31) Im “ Kongreß ” überlagern sich beide Arten der Phantomatik, so daß der Leser Subjekt und Objekt nicht voneinander unterscheiden kann.
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       In “Solaris” gelingt es dem Protagonisten Kelvin, sich selbst über einen Computer zu beweisen, daß er nicht wahnsinnig ist; diese Möglichkeit hat Tichy im “Kongreß” nicht (vgl.: Lem 1984, S. 185).
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    Die Darstellung von Sexualität und Weiblichkeit allgemein in den Werken Lems wäre eine eigene Untersuchung wert. Verkürzt läßt sich sagen: Frauen haben bis auf wenige Ausnahmen nur funktionalen Charakter, da Lem seinen Protagonisten nicht von dem von ihm gewählten Hauptproblem ablenken möchte. Sexualität

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