Im Informationszeitalter
gegeben hat, 99% der Vernichtung anheimfielen. Über den Untergang der Reptilien, die über 120 Millionen Jahre unseren Planeten beherrschten, wissen wir besonders viel, weil es erstens oft Riesen mit ungeheuren Ausmaßen waren, deren gigantische Skelettüberreste bei Ausgrabungen entdeckt wurden, und zweitens, weil ihr Untergang auf eine ziemlich spektakuläre Weise geschah, aller Wahrscheinlichkeit nach auf Grund einer kosmischen Einwirkung. Aber immer deutlicher erkennen wir, daß das Leben auf der
Erde sowohl durch “geologisch-vulkanische” und klimatisch-glaziale Veränderungen des öfteren ähnliche Katastrophen erlitten hat.
Wir sollten jedoch zu der uralten Vergangenheit, in der eine Milliarde Jahre lang eine “kreative Stille” herrschte, zurückkehren. Was sollte, was konnte sie beenden und unterbrechen, um zu der kambrischen Explosion zu führen, zu dem “plötzlichen” (d.h. “nur” innerhalb von Millionen von Jahren sich ereignenden) Ausbruch des evolvierenden Lebens, das heißt zum Start der “Evolutionsfortschritts”? Man sollte sich darüber klar sein, daß der Fortschritt eine für uns Zeitgenossen so selbstverständliche Tatsache ist, daß wir sie eigentlich überhaupt nicht bemerken. Ich halte nämlich das ganze, unter den Biologen typische Gerede über die “primitiven” Formen der Organismen oder ihrer einzelnen Organe für den Effekt eines merkwürdigen Irrtums. Wie kann man überhaupt z.B. annehmen, daß Insekten, die auf der Erde seit dreihundert Millionen von Jahren existieren und unvergleichbar weniger sensibel auf Radioaktivität als die Säugetiere mit dem Menschen an der Spitze reagieren, “primitiver” seien als die Primaten, inklusive dem Menschen, der ca. 10 -12 Millionen Jahren alt ist? Und wenn wir uns die Mikroorganismen anschauen, die es überall um uns herum und in uns gibt, dann sollte uns doch ihr Überleben während aller Epochen und der Milliarden von Jahren auffallen. Ich sage nicht, daß sie in einer unveränderten Gestalt überlebten. Leider verfügen gerade die Mikroorganismen, die bei uns oft Krankheiten auslösen, über eine derart große biochemischmolekulare “Rechenleistung”, daß wir mit unseren vollkommensten synthetischen Arzneimitteln und Antibiotika nur Lücken in die Fronten der uns angreifenden Bakterien schlagen können, die nach ziemlich kurzen Zeit gegen alle unsere Medikamente, gegen die ganze gegen sie pharmakologisch und medizinisch gerichtete Artillerie, resistent werden …
Was bedeutet dieses Phänomen? Es bedeutet, daß gerade Bakterien - “die primitiven Formen” nicht als Individuum, nicht als Schar, aber als Gattungen - über ein solches kreatives Potential verfügen, das, eingebettet in der Rechenleistung, sich bei Bedrohung zu aktivieren vermag. Die beim Gentransfer entstehenden Permutationen und Rekombinationen verleihen ihnen Resistenz. Auf Grund dessen könnte man sich vorstellen, daß sogenannte “höhere” Tiere und der Mensch sich eine Resistenz gegen irgendwelche Giftgase oder gegen die Radioaktivität hätten aufbauen können … Die auf den Bereich des Lebens angewandten Begriffe des “Fortschritts” und des “Primitivismus” sind also mit großer Vorsicht zu gebrauchen.
Als ich vor sechzehn Jahren den ersten Vortrag meines fiktiven Supercomputers GOLEM schrieb, legte ich folgende Worte in seinen (Metall)Mund:
Der “dritte” Weg der Evolutionstheorie
In der Evolution “IST DAS PRODUKT WENIGER VOLLKOMMEN ALS DER PRODUZIERNDE”. Ich hatte damals außer der Intuition keine Grundlage, um diese These zu begründen. In diesen Worten steckt, wie der GOLEM weiter ausführte, die Verkehrung aller unserer Vorstellungen von der unübertroffenen Meisterschaft des Artenurhebers. Der Glaube an den Fortschritt, der mit der Zeit zur Perfektion führt und dem mit wachsender Geschicklichkeit nachgejagt wird, ist aus der Perspektive der Theorie älter als der Fortschritt des Lebens, der im Evolutionsbaum fixiert ist. (…) Ich habe erklärt: Das Produkt ist weniger
vollkommen als der Produzent. Das ist ein ziemlich aphoristischer Spruch. Geben wir ihm eine sachlichere Gestalt: IN DER EVOLUTION IST EIN
NEGATIVER GRADIENT BEI DER PERFEKTION DER SYSTEMLÖSUNGEN WIRKSAM. Das ist alles.
Weiter werde ich Golem nicht zitieren. Ich sage nur, daß meine Intuition nach so vielen Jahren begründeter als damals zu sein scheint, als ich sie in Gestalt des fiktiven Computerweisen ausgedrückt habe. Dabei geht es - so läßt
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