Im Informationszeitalter
und ich diese Idee als nicht realisierbar betrachtete, schrieb ich dasselbe dem Verlag.
In meiner Antwort beschränkte ich mich auf die Gründe für die Unerfüllbarkeit des Projekts, aber ich habe dies auf eine Weise zum Ausdruck gebracht, die die Redaktion des Verlages verletzt haben könnte. Daher hatte ich auch das Gefühl, daß eine unbegründete Bewertung des Simulationsprojektes als reine Fiktion nicht ausreichend sei. Man sollte, wenn auch nur kurz, zumindest erklären, WARUM man weder die Kultur noch ihre Entstehung, ihre “Emergenz”, simulieren kann. Dieser Essay ist deshalb dem Nachweis der “Unmöglichkeit” solcher Unternehmungen gewidmet.
Man muß als erstes selbstverständlich erkennen, WAS die Kultur ist und woher sie kam, oder eigentlich, woher die Kulturen kamen, da es sich um eine Gruppe sich gabelnden Wege handelt, wobei einige Kulturen nach ihrer Entstehung entweder in andere Formen übergegangen oder ausgestorben und verschwunden sind. Die Wissenschaftler aus dem Kreis der Anthropologen, die Kulturen untersuchen, stoßen in ihren Arbeiten auf uralte Überreste von Kulturen, teilweise mit nicht entzifferbaren Zeichen von Schriften, die es auf der Erde nicht mehr gibt. Allgemein behandelte ich die Kultur vor einigen Jahrzehnten am Schluß meines Buch Phantastik und Futurologie , und ich werde mich selbst daraus zitieren, da das Vergehen der Zeit und das Hinzukommen neuerer Abhandlungen meine Ansichten in keiner Weise verändert haben.
Die Willkürlichkeit der Kultur
“Der Mensch ist nicht ein Tier, das auf die Idee gekommen ist, eine Kultur zu entwickeln. Es ist auch nicht ein Kampf zwischen dem instinktbeherrschten Althirn und dem Mantel des Neocortex - wie es Arthur Kostler will. Er ist auch nicht der “nackte Affe” mit dem großem Gehirn (Desmond Morris), weil er eben nicht ein Tier mit irgendeiner Beigabe ist. Ganz im Gegenteil: als Tier ist der Mensch unzulänglich. Das Wesen des Menschen ist die Kultur, nicht, weil es den Schöngeistern so gefällt. Diese Feststellung soll heißen, daß dem Menschen im Ergebnis der Anthropogenese die ererbten, ihm durch die Evolution auferlegten Verhaltensformen abhanden gekommen sind.
Die Tiere verfügen über ein System von Reflexen, das die Aggression innerhalb der Gattung in Zügeln hält und auch die Fortpflanzungsfähigkeit automatisch bei Beginn jeder Populationsexplosion hemmt. Die Wanderungen der Vögel und Heuschrecken werden von vererbten hormonalen Mechanismen gesteuert. Ein Ameisenhaufen, ein Bienenstock, ein Korallenriff -das sind Aggregationen, die in Jahrmillionen auf ein automatisches Gleichgewicht abgestimmt worden sind. Die Sozialisierung der Tiere unterliegt ebenfalls der vererbten Steuerung. Diese Art von Mechanismen gehen dem Menschen einfach ab. Da der Evolutionsprozeß ihm solche innere
Handlungszwänge, denen die Tiere unterliegen, entzogen hatte, war der Mensch durch seine biologische Beschaffenheit dazu verurteilt, eine Kultur zu entwickeln.
Der Mensch ist ein mangelhaftes Tier, d.h. daß er nicht in den tierischen Zustand zurückzukehren vermag. Kinder, die außerhalb des menschlichen Milieus aufwachsen, sind gerade darum auch in ihren biologischen Attributen zutiefst verkrüppelt: Es bildet sich bei ihnen weder eine der Gattungsnorm entsprechende Intelligenz, noch die Sprache, noch auch ein reicheres Gefühlsleben aus. Sie sind Krüppel, nicht Tiere. Auch der Genozid ist eine Form der Kultur. Es gibt in der Natur keinen “Zoozid” als Entsprechung zum Genozid. Es gibt also in der biologischen Beschaffenheit des Menschen keine Möglichkeiten, aus denen man eindeutig deduzieren könnte, wie er sein soll. Ohne sich über diesen Sachverhalt klar zu sein und rein spontan vorgehend, haben die menschlichen Gesellschaften Kulturinstitutionen hervorgebracht, die durchaus nicht die Verlängerung der biologischen Eigenschaften des
Menschen sind - obwohl sie diesen Eigenschaften als Rahmen, als Stütze und zuweilen auch als Prokrustesbett dienen.
Die biologische Beschaffenheit des Menschen reicht nicht dazu aus, seine ‘richtige’ Verhaltensweise zu bestimmen. Diese partielle Indeterminiertheit des Menschen wird von der Kultur durch Werte ergänzt, die sich nicht auf das ‘nackte Überleben’ reduzieren lassen. Der Mensch hat Institutionen, d.h. er hat vergegenständlichte Wert- und Zielstrukturen geschaffen, die über das Individuum und über die Generationen hinausreichen.
Das Paradoxon des Menschseins
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