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Im Informationszeitalter

Im Informationszeitalter

Titel: Im Informationszeitalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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sehr komplizierter Prozeß ist und weil lebendige Geschöpfe entweder lebendige Geschöpfe fressen oder von ihnen gefressen werden (Pflanzen zu fressen, bedeutet auch, etwas “Lebendiges” zu essen, z.B. Gras), entsteht daraus eine riesige Hierarchie von mehr oder weniger eigentümlichen Konflikten, die uns teilweise vereinfachend die (mathematische) Spieltheorie wiedergeben kann. Das Problem liegt darin, daß die Informationen aufgrund dieses Sachverhalts für die einen zur Verfolgung und für die anderen zur Flucht oder “nur dem Fortbestand” (z.B. Gras) dient.
    Das SENSORIUM, mit dem das Lewewesen ausgestattet ist, zeichnet sich im allgemeinen, wie ich sagte, durch Sparsamkeit aus. Vor noch nicht langer Zeit behauptete die Psychologie, daß Hunde keine Farben unterscheiden könnten, daß sie also alles in Schattierungen von weiß und schwarz, wie wir auf den alten Filmen, wahrnehmen. Gegenwärtig wird diese Annahme revidiert: Hunde erkennen doch Farben. Auch eine Spinne, Ratte oder Katze ist wie der Mensch mit dem - ihrer Art eigenen - SENSORIUM ausgestattet. Wir verfügen gegenüber den Tieren in diesem Bereich über einen maximalen Überfluß, außerdem besitzen wir noch, und fast alleine, einen “Verstand”, der uns ermöglicht, auch solche Eigenschaften der “Welt” zu erkennen, die wir mit den Sinnen direkt nicht wahrnehmen können.
    Was ergibt sich aus den angeführten Banalitäten? Sie weisen darauf hin, daß die Welt (in einem bestimmten Sinne: die “Weltanschauung”) sehr stark vom jeweiligen Sensorium abhängig ist. Für den Menschen scheint es eine Ausnahme aufgrund des “Verstandes” zu geben, aber das stimmt nicht ganz. Die wahrnehmbare “Welt” der Menschen besteht aus Dingen “mittlerer Größe”, proportional zu der Größe des einzelnen menschlichen Körpers. Wir können weder einzelne Moleküle, Atome oder Photonen wahrnehmen; und auf der gewissermaßen anderen, makroskopischen Ebene können wir weder den Teil des Planeten, auf dem wir leben, als eine Kugel oder als Ganzes betrachten, noch die “faktischen Ausmaße” der Milchstraße, anderer Galaxien, Sterne oder des gesamten Kosmos wahrnehmen. Wir haben verschiedene experimentelle Methoden und mit ihnen verbundenen Hypothesen, Theorien oder Modelle ausgearbeitet, um mit dem Verstand das “wahrzunehmen”, was die Sinne nicht wahrnehmen können; und das bedeutet, daß unsere Weltanschauung über das Bild der Welt um mehrere Größenordnungen “hinausragt”, das wir der direkten Arbeit unseres Sensoriums verdanken.
    Heißt das aber, daß wir das sehen, was wir nicht sehen, daß wir das empfinden können, was wir nicht empfinden, daß wir das hören, was für unseren Hörsinn nicht hörbar ist? Keineswegs. Wir verwenden “Abstraktionen” oder speziell durch “Technik” (also mit Werkzeugen) geschaffene Situationen und Bedingungen, die uns das für unsere Vorfahren
    Unmögliche ermöglichen, z.B. die Erde von der Satellitenumlaufbahn, den Mond beim Betreten, die Marsoberfläche oder die Oberschicht der Atmosphäre des Jupiters “anzuschauen”. Wir verwenden ein Mikroskop, ein Hubble-Teleskop auf der Umlaufbahn, Akzeleratoren, Wilson-Kammern oder einen Operationssaal, in dem man manchmal einem Menschen mit bloßen Auge in das Innere des Körpers oder des Gehirns schauen kann. Wir gewinnen also viel mehr Informationen durch die verschiedenen Arten und Methoden des von uns künstlich geschaffenen “Mediums”.
    Aber auf den Perzeptionsebenen der Mikro-, Makro-und Megawelt bleiben wir völlig hilflos. Niemand ist in der Lage, ein Atom, die Galaxis, den Evolutionsprozeß oder die Entstehung der Planeten aus den angeblich protoplanetaren Nebelverdichtungen sehen oder sich so etwas vorstellen zu können. Die ethnische Sprache als breitbandiger, polysemantischer Informationsträger sowie die Mathematik als eine aus dieser abgeleitete und sehr präzisierte schmalbandige Sprache stellen unsere “Tentakel”, unsere Krücken, unsere “Prothesen” dar. Ähnlich wie ein Blinder, der mit seinem weißen Stock den Steinboden abklopft und so versucht, mit dem Gehör zu erkennen, ob er sich im Zimmer, auf der Straße oder inmitten eines Tempels befindet, so versuchen auch wir mit diesen mathematischen Prothesen das “abzuklopfen”, was außerhalb unseres Sensoriums liegt.
    Aber ist das “wirklich” so? Sind die Blätter “wirklich” grün oder verdanken sie ihr Grün den photosynthetischen Verbindungen des Chlorophyll? Ist es

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