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Im Informationszeitalter

Im Informationszeitalter

Titel: Im Informationszeitalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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durchführen. Es gibt sicher Bereiche, bei denen wir uns epistemisch und empirisch, vielleicht sogar asymptotisch oder tangential (?) an die Wahrheit annähern können oder dies nicht können. Die Wahrscheinlichkeit der Wahrheitsfunktionen, um hier nur einmal eine ein wenig kohärentere, logisch und semantisch genauere Sprache zu verwenden, ist zumindest und grob gesagt, da wir zu wenig darüber wissen, von den quasifinalen Auswirkungen der Milliarden langen Arbeit der Evolution abhängig.
    Unser menschliche Nichtwissen ist ein Weltozean, das sichere Wissen stellt dagegen nur vereinzelte kleine Insel auf diesem Ozean dar. Noch vorsichtiger ausgedrückt: Nach meiner Ansicht befinden sich die Resultate der Erkenntnis - das exakte Wissen - auf einer Kurve oder, eher, auf einem Kurvenbündel, und es ist keineswegs ein gesichertes Axiom, daß diese Kurve wie eine Hyperbel oder Parabel oder wenigstens wie eine logistische Kurve (Verhulst-Pearl-Kurve) aufsteigt. Vielleicht gibt es bereits tangentiale Punkte mit dem wirklichen Stand der Dinge und vielleicht -ziemlich sicher - auch solche, an denen wir den asymptotischen Weg verlassen haben.
    Ich habe, um an einem konkreten Beispiel zu zeigen, worum es mir im Vorhergehenden ging, beispielsweise das sehr interessant geschriebene Buch “Theorie für Alles” von John D. Barrow , das Buch von Steven Weinberg über die Theorie für Alles und viele andere, auch in letzter Zeit und auch im allgemeinen von Physiknobelpreisträgern geschriebene Bücher gelesen. Trotz dieses wissenschaftlichen Chors, der mich sicher im Hinsicht auf die intellektuelle Stärke übertrifft, zugunsten der Existenz einer “Allgemeinen Theorie des Ganzen” (GUT, also Grand Unified Theory), spreche ich mich für die Ansicht des Kosmologen Bondi aus, daß es eine Einzige Allgemeine Theorie des Ganzen gar nicht geben muß, daß sie “nutzlos” sei und “keine wissenschaftliche Bedeutung” habe.
    Wieso aber sollte, um es wieder mit eigenen Worten zu sagen, der bedingungslose Reduktionismus eine einzige Theorie hervorbringen? Man kann dies und wird es weiter verfolgen, aber in den nächsten 100 oder 200 Jahren wird sich herausstellen, daß andere Wissenschaftler eine Menge von inkongruenten Modellen ausgearbeitet oder sogar bewiesen haben, daß die “GUT” für unser Universum nicht hergestellt werden kann. Vielleicht stellt sich heraus, daß die Galaxien, die heute älter als das bereits mehrmals berechnete Alter unseres Kosmos zu sein scheinen, aus einem “benachbarten” Kosmos eingedrungen sind? Damit will ich sagen, daß das, was wir beispielsweise in der Physik und theoretischen Astrophysik erkennen, stets das Ergebnis von auf verschiedener Weise miteinander verbundenen und zusammenhängenden physikalisch-mathematischen und gleichzeitig experimentell-theoretischen Mutmaßungen sind, die entweder bewiesen, also experimentell nicht widerlegt wurden, oder in den höchsten Regionen der exakten Wissenschaft gegenwärtig noch in Mode sind, weil auch hier Moden herrschen und, wie in der Kosmologie, vergehen.
    Der Mensch ist, um das Gesagte zusammenzufassen, eine kleine Wissensinsel, die teilweise aus dem Ozean des außersinnlichen Unwissens herausragt und teilweise in der Unermeßlichkeit des Unwissens eingetaucht ist. Wir wissen nichts darüber, ob dieser Ozean einen Grund hat und ob man ihn ausloten kann. Gegenwärtig herrscht die Mode der globalen Kommunikation, die sich wie ein Buschfeuer verbreitet. Ich kann ihre Vorteile gut nachvollziehen, aber fürchte gleichzeitig ihre Nebenwirkungen, Havarien oder Mißbräuche, die für die Menschen und sogar für den Planeten zerstörerisch sein können. Es kündigt momentan nichts an, daß sich diese Computernetze durch die Zusammenkoppelung von Millionen von Computern mit Millionen anderen in ein “Elektroenzephalon” verbinden werden. Das wäre so etwas wie ein “planetares Gehirn” mit Computern als Neuronen, das allerdings, da eigene Sinne fehlen, der sensorischen Deprivation unterliegen würde. Wenn es sich dabei nicht um Science Fiction handelt, kann es sich als ein Schritt hin zu einer “Abschließung” des Planeten gegenüber dem Kosmos erweisen. Das planetare Gehirn würde nämlich dann in Kategorien des Netzinneren denken - und die Menschheit durch das Netz ordentlich für dumm verkauft…
    Ich möchte aber, um die Wahrheit zu sagen, an diese Vision nicht glauben, sondern nur zeigen, wie bescheiden mir die Erkenntniskraft des Menschen im

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