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Im Informationszeitalter

Im Informationszeitalter

Titel: Im Informationszeitalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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in eine tote Maschine inkorporiert ist.
    Die “Urkybernetiker” der fünfzigen Jahre des 20. Jahrhunderts waren sich aber nicht im klaren über eine ganz elementar einfache Sache: Wenn man eine Einpferdkutsche hat, ist die einfachste Lösung, um die Antriebskraft zu vergrößern, nicht der sofortige Umstieg auf ein Auto, sondern man spannt einfach ein zweites Pferd und dann ein nächstes Paar an. Etwas ähnliches ist mit Computern passiert. Es ist einfacher, die “gedankenlosen” Computer miteinander zu verbinden, auch wenn es Millionen sein sollten, statt in einem riesigen Super-Ultracomputer den Verstand zu entzünden. Aber um mit Erfolg die Sinne auch nur einen einzigen Menschen an die künstliche Welt so anzuschließen (ihn also, wie ich es nenne, zu “phantomatisieren”), dass er nicht mehr imstande sein würde, die durch den Computer erzeugte synthetische Wirklichkeit von der Wirklichkeit seines normalen Wachzustandes zu unterscheiden, ist Intelligenz erforderlich, weil dieser Mensch in der virtuellen Welt nicht nach King Kongs oder Drachen, sondern einfach nach anderen Menschen suchen wird. Man wird aber bislang keinem irgendwie nach dem Turing-Test vernunftbegabten und gleichzeitig durch den Computer kreierten Menschen treffen können. Es gibt einfach weder eine uns gleichkommende “Attrappe des Verstandes” im Computer noch eine solche, die eine Vielzahl verschiedener quasiintelligenter Wesen schaffen und die fiktive Wirklichkeit mit diesen zu bevölkern imstande wäre. Und da es immer so ist, dass man das verwendet, was es schon gibt, wird das Internet als ein vollkommenes Kommunikationsnetz der Computer, die sehr unvollkommen zur selbständigen sinnvollen Aktivität fähig sind, sowohl in die kommerziellen und industriellen Zwecke, als auch für Spiele, die Menschen mit Menschen gern führen, eingespannt.
    Irren sich alle diejenigen fatal, die aus der Lektüre meines Bandes “Das Geheimnis des chinesischen Zimmers” (erschienen bei “Universitas”, Krakau 1996) den Schluss gezogen haben, dass nach meiner Meinung eine “künstliche Intelligenz” nie entstehen wird? Ich habe dort lediglich Gründe dargestellt, für die eine solche Synthese gegenwärtig und in nächster Zeit nicht möglich ist. Dagegen habe ich über die Zukunft der “vernunftbegabten Intelligenz” mehrmals geschrieben, und nicht jeder, der meinen “Golem XIV” gelesen hatte, war deshalb auch der Meinung, dass ich die Sache für das pure Produkt einer nicht in die Wirklichkeit umsetzbaren Phantasie halte. Ich stütze mich ungern auf Zitate von Autoritäten, aber es soll mir ausnahmsweise gestatten werden, zu bemerken, dass Manfred Eigen in einem Spiegel-Interview - im Zusammenhang mit angeblichen Spuren des Lebens auf einem Marsmeteoriten - sagte, man dürfe in der Wissenschaft nie über eine unüberwindbare Unmöglichkeit sprechen. Es ist klar, dass ich, wenn ich vor einhundert Jahren eine Unmöglichkeit von Raumflügen in der Zeit verkündet hätte, als die Luftflüge noch in den Ansätzen waren, damit nichts über den Ausgang des 20. Jahrhunderts sagen wollte. Die individuellen psychischen sowie die gesellschaftlichen Gefahren, die sich aus der Verbreitung der phantomatischen Techniken ergeben könnten, hatte ich im Buch “Summa Technologiae” lediglich angeschnitten. Ich wollte vor allem nicht, auf eigene Faust zu weit in die Zukunft ausschweifen, in der sich durch Programme (Software) einzeln konstituierte Welten der Individuen verbinden können und dadurch ein fiktiver, durch seinen Illusionismus aber riesiger Raum entsteht. In diesem werden dann solche Scheusale, Harems, Ungeheuer, Orgien und Satanismen zu finden sein, die den Menschen, die sich vollständig vom Gesellschaftsdruck der Tradition, des Glaubens, der Familienbindungen und der Sittlichkeit losgesagt haben, besonders gut gefallen. Wenn ich eine derartige Thematik überhaupt berührt hatte, dann absichtlich in unschuldigen Verkleidungen (wie, sagen wir im “Märchen über die drei Maschinen des Königs Genialon” im Band “Kyberiade”).
    Ich wollte mich mit den künftigen unmoralischen Verworfenheiten des menschlichen Geschlechts umso weniger auseinander setzen, da es jetzt bereits eine Übermasse an Verworfenheit gibt, und deren Vervielfältigung in den Bereichen der Literatur, die “schön” genannt wird, hielt ich einfach für unappetitlich und ekelhaft. Ich sage also, um zur Sache zurückzukehren, dass Internetspiele vorläufig in der Phase der

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