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Im Informationszeitalter

Im Informationszeitalter

Titel: Im Informationszeitalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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ein wesentliches Motiv der vereinheitlichenden Tendenzen vor allem in der Physik in Gestalt der Hoffnung auf eine “GUT” - Grand Unified THEORY - darstellt. Wir haben nämlich in der Wissenschaft bereits mehr als genug von fachlichen Verzweigungen und Abzweigungen.
    Die romantische Losung: “Du sollst deine Kräfte nach den Zielen ausrichten, und nicht die Ziele nach den Kräften” garantiert keine universelle Wirksamkeit. Momentan sieht man nirgendwo deutliche Zeichen für eine Integration der Erkenntnisse der einzelnen Wissenschaften. Das Einzige, was man beobachten kann, ist eine Flucht aus den Wissenschaften, sogar dort, wo man sie fleißig lehrt und wo sie studiert werden. Tatsächlich kann man die eskapistischen Tendenzen aus der heutigen Welt allzu leicht verstehen. Was auch immer in den Internetspielen passiert, wird in der Regel nicht mit überraschenden Explosionen terroristischer Bomben zerfetzt. Ich weiß nicht, ob es Spiele gibt, die auf dem “Katastrophenprinzip” basieren, aber wenn es Spiele gibt, die auf verschiedenen orgiastischen “Leistungen” basieren, dann ist der Weg zu ersteren auch nicht mehr weit.
    Die Abneigung gegenüber den Internetspielen scheint in diesem Essay sehr deutlich zu sein, so dass ich sie, wenn ein solcher Bedarf bestehen würde, genauer artikulieren müsste. Ich würde vor allem sagen, dass das reale Leben genügend viele Erscheinungen und Ereignisse bietet, so dass es sich nicht lohnt, in ein märchenhaftes “Nirgendwo”, zu flüchten. Zweitens ist keine Art der Flucht tugendhaft, und in der Regel enden sie durch Aufwachen in einer unsympathischen Wirklichkeit. Und letztendlich habe ich wahrscheinlich deswegen eine Abneigung, weil ich mich auch ohne Hilfe von Internetspielen und Computern in so viele verschiedene Welten “eindenken” konnte, wie es mir erforderlich zu sein schien. Das Schreiben von Werken, die literarische Fiktion beinhalten, beruht ja darauf. Die Internetspiele sind lediglich ihre Schatten.
    Man kann übrigens einen Ersatz für sie finden, indem man einfach träumt. Es gibt allerdings auf diesem Weg ein Hindernis: Wir können nicht das träumen, was wir träumen möchten, aber das ist wahrscheinlich die einzige Überlegenheit der Netzspiele. Träume aber, die vom Wachzustand nicht unterscheidbar und den phantomatischen Programmen unterstellt sind, wunderbare, bedrohliche, unheimliche Träume, Träume ohne Staffage von “Prinzessinnen und Rittern”, also des aktuellen Billigzeugs, werden früher oder später auftreten, weil, wie ich schon mehrmals wiederholt habe, die Technologie eine unabhängige Variable unserer Zivilisation ist, deren in Schwung geratene Dynamik nichts außer einem globalen Untergang anhalten kann. Deren Bewegung ist von unseren Intentionen und Hoffnungen oder von unseren Anstrengungen im Grunde nicht abhängig. Diese Bewegung ist in der Natur der Welt selbst verwurzelt. Was wir hingegen aus den reifenden Früchten des Technologiebaumes am liebsten und am eifrigsten an Giften für uns selbst und für andere auspressen, stellt nicht mehr eine “Schuld” der Welt dar. Weder im Wachzustand, noch in Spielen werden die Menschen imstande sein, sich selbst freizusprechen.
    Geschrieben im August 1996
    Geist aus der Maschine
    Stanislaw Lem 27.03.2000
    Kann aus dem Internet eine bewusste Intelligenz entstehen?
    Ich habe schon oft versichert, dass aus dem globalen Kommunikationsnetz mit seinen Computerknoten nie ein göttlicher Funke als Zeichen eines vernünftigen Bewusstseins entstehen wird. Aber dann bin ich plötzlich auf ein neues Konzept gestoßen, das gegenüber den heutigen Ansichten so häretisch ist, dass es sich - wie es mir scheint - lohnt, sich damit zu beschäftigen.
    Wir wissen zwar immer mehr über die Funktion des Gehirns, obwohl dies keineswegs schon bedeutet, dass unsere Erkenntnis groß genug ist. Mit den “Mittlern”, die in den Blutkreislauf eingeführte harmlose Isotope der Elemente sein können, oder mit dem PET-Verfahren, mit sich die aktiven Areale des Gehirns mit Positronen erkennen lassen - die Einzelheiten seien hier beiseite gestellt, da ein detaillierte Beschreibung dieser Techniken zur “Einsicht in das Gehirn” uns vom eigentlichen Thema des Geistes in der Maschine ablenken würde -, kann man gegenwärtig wahrnehmen, was passiert, oder etwas genauer, welche Stellen an den Oberflächen und im Inneren der Hirnrinde aktiv sind, wenn Patienten körperliche (wie das Bewegen der Extremitäten) oder

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