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Im Informationszeitalter

Im Informationszeitalter

Titel: Im Informationszeitalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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werden, dass ein gefühlloser Intellekt nicht voll leistungsfähig sein kann. Einige gehen in ihren Annahmen sogar noch weiter und sagen, dass nicht nur das Gehirn allein das hauptsächliche “Instrument” der Affekte sei, weil dafür der Körper, der zittern und schwitzen kann, und das schlagende Herz oder der Blutdruck unbedingt erforderlich seien. Ich bin des Letzteren nicht sicher, weil Querschnittsgelähmte, die sich überhaupt nicht bewegen können, durchaus Gefühle empfinden. Es ist zu befürchten, dass erst ein Gerät, das so subtil und komplex wie unser Gehirn aufgebaut sowie mit Sensoren versehen ist, imstande sein wird, Gefühle nicht nur wie eine geschickte simulierende Marionette nachzuahmen, sondern auch wirklich zu empfinden.
    Übrigens ist all dies sehr kompliziert, weil wir wissen, dass niedrigere Geschöpfe als der Mensch, vor allem Säugetiere wie Hunde, Katzen oder Affen, Gefühlszustände von enthusiastischer Freude bis zum tiefen Trübsinn erleben. Wir wissen dies, obwohl uns ein Hund oder eine Katze nichts darüber mitgeteilt hat und unser Wissen sich ganz auf die Wahrnehmung des Verhaltens beschränkt. Wir wissen also, dass Emotionen evolutionär dem Entstehen des menschlichen Intellekts vorangingen und dass sie mit ihm stark verbunden und verkettet sind. Man schreibt gegenwärtig in den USA viel über den “EQ”, den “Emotional Quotient”, aber wir können ihn unter anderem deswegen nicht messen, weil es a) bei einer “Affektometrie” um N-Dimensionalität gehen müsste, da es so viele Gefühlszustände und individuellen Nuancen gibt, und weil man b) emotionale Zustände rein äußerlich simulieren kann. Wäre dies anders, könnte man zwischen guten, mäßigen und jeglicher schauspielerischen Begabung baren Schauspielern nicht unterscheiden (Ich selbst gehöre leider (?), wie ich zugeben muss, zu der Teilmenge der unfähigen Nachahmer des Empfindens von Gefühlen, die ich nicht wirklich habe). Natürlich überschreitet die angesprochene Problematik in vielen Bereichen weit meinen Text. Es hat sich letztlich z.B. gezeigt, dass Lachen gar nicht wirklich “froh” sein muss. Unter anderem thematisierte dies Witold Gombrowicz in seinen Novellen. Aber dabei handelt es sich wohl um Bereiche, welche die Computersimulation wahrscheinlich auch im kommenden 21. Jahrhundert nicht erreichen wird …
    Während ein ungünstiger Einfluss der als “negativ” bewerteten Gefühle als ein Komplex von Faktoren, die das kreative intellektuelle Schaffen bremsen, gut bekannt und auch verständlich ist (Trauer, Betrübnis,
    Depression - Gefühlseffekte des Unglücks), ist der Einfluss der Faktoren, die mit positiven Affekten gefärbt sind, auf die kreative Leistungskraft immer noch eher rätselhaft. Es scheint mir, dass die Fähigkeiten des Menschen, die ein entsprechend programmierter Computer noch am besten simulieren kann - von mathematischen Operationen bis zum Ausspielen von Konfliktsituationen, die durch unveränderliche Regeln wie beim Schachspiel zu erschließen sind - im Allgemeinen mit einem minimalen Einsatz von Emotionen stattfinden. Dagegen können sich die Emotionen, die die Leistungsfähigkeit steigern, außer in der künstlerischen Sphäre par excellence auch als sehr wichtig für das Erreichen von Zielen erweisen. Allerdings ist es nicht so, dass man ein Ziel desto erfolgreicher erreichen wird, je stärker man es erreichen will. Weder normale Werke noch “Meisterwerke” hängen im direkten Verhältnis von der Steigerung der willentlichen Komponente ab. Auch der stark mit Affekten gesättigte Faktor der Ambition trägt nicht immer direkt zum erreichten Effekt bei. Wenn sie direkt beitragen würde, wäre z.B. ein Schreibwütiger mit größerer Ambition auch dem olympischen Thron näher.
    Der emotionale Zustand stellt aber etwas mehr als nur eine vorteilhafte “Startbedingung” für die geistige Arbeit dar. Die ganzen ungelösten Probleme rühren daher, dass es eine spezielle kognitive Aktivität, die den Menschen, z.B. einen Künstler, wissen lässt, wie er mit den ihm durch die Welt oder durch sich selbst gestellten Aufgaben fertig werden kann, in der natürlichen Evolution nicht gibt. Wir lösen also zwar die Aufgaben erfolgreich oder scheitern an ihnen, aber erfahren nicht unbedingt, was dabei in unserem Kopf vor sich gegangen ist. Die Evolution eliminiert nämlich nach Möglichkeiten aus den geistigen oder auch psychischen Aktivitäten jegliches Bewusstsein von den Methoden der

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