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Im Informationszeitalter

Im Informationszeitalter

Titel: Im Informationszeitalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Abfrage.
    Man muss jedoch ausdrücklich betonen, dass der Anteil an emotionalen Faktoren bei geistig fruchtbaren Aktivitäten verschiedener Menschen recht unterschiedlich ist (“Si duo faciunt idem, non est idem”). Außerdem kann ein Individuum, das für bestimmte intellektuell wichtige Arbeiten begabt ist, in einem anderen Bereich nur durchschnittlich oder unterdurchschnittlich begabt und daher in seinem Bemühen weniger oder gar nicht erfolgreich sein. Wir wissen nicht, um es noch einmal zu wiederholen, welche stimulierende Rolle die Emotionen spielen. Die Intuition, wie wir sie verstehen, ist selbst keine Emotion, aber sie kann auf Emotionen gründen. Ein emotional engagierter “Randschreiber”-Mathematiker wie Fermat könnte vielleicht annehmen, dass er seine “große Vermutung” gelöst, aber nur keinen Platz gefunden hatte, um den Beweis niederzuschreiben. Wenn der Druck des emotionalen “Triumphs” groß ist, kann man leicht einen Fehler begehen, indem man angeblich unwesentliche Hindernisse übersieht. Weil wir bereits wissen, dass man mit der existierenden algorithmischen Methode und den von der Biologie abgeleiteten Algorithmen nicht alles lösen kann, ist hier eher Umsicht und Mäßigung als ein übertriebener Optimismus angebracht …
    Geschrieben im Sommer 1997
    Bewusste und unbewusste Illusionen
    Stanislaw Lem 03.08.2000
    Rauschgift, virtuelle Realität, Künstliche Intelligenz und das Internet
    Seiner Zeit ließ ich an mir Experimente mit Psilocybin durchführen, einem Präparat, das ein Auszug aus dem Psilocybin-Pilz ist und das ähnliche, aber schwächere Eigenschaften hat als das seit langem bekannte Meskalin. Aus den Erinnerungen von Stanislaw Ignacy Witkiewicz weiß man ziemlich genau wie Meskalin wirkt: es erzeugt starke Halluzinationen und hat darüber hinaus sehr unangenehme körperliche Nachwirkungen. Psilocybin dagegen verursacht bei einer Milligrammdosis keine derartigen Nebeneffekte.
    Übrigens geht es mir nicht um die Halluzinationen an sich, sondern darum, dass man keinen Augenblick lang vergisst, dass alle Erscheinungen, auch merkwürdigste Änderungen der eigenen Körperproportionen, von Farben und Perspektiven etc., sich der Wirkung des Präparats verdanken. Bei anderen Halluzinogenen wie dem LSD (Lysergsäure-Derivat) kann das Wissen um die Fiktivität der Halluzinationserlebnisse dagegen völlig fehlen, so dass ein Mensch auf die Straße gehen und - in der Überzeugung, er sei vollkommen durchsichtig - von einem Auto überfahren werden kann. Nach Einnahme von LSD können auch schizophrene Symptome entstehen.
    Soviel vorab zur Klassifizierung der “Virtuellen Realität”: Es kann sein, dass die Tatsache, in eine beliebig ausgewählte oder (von Programmierern) aufgezwungene Virtualität versetzt zu sein, einer Person bewusst wird, und dies würde ungefähr den Halluzinogenwirkungen der Mittel aus der Gruppe Psilocybin (und auch Meskalin) entsprechen. Es kann aber auch sein, dass die virtuelle Realität den normalen Bewusstseinszustand ganz und gar verdrängt: dadurch kann der “Phantomatisierte” (ein von mir gebildeter Terminus: also derjenige, der sich in der “virtuellen Realität” befindet) nicht beurteilen, ob er im Wachzustand oder im Kokon der als Wachzustand erlebten Fiktion gefangen ist. Übrigens kann eigentlich jeder normale Mensch auf die Erfahrung eigener Träume zurückgreifen, wenn er sich ein Bild von diesen beiden Zuständen machen möchte. Man kann so träumen, dass man von der Realität des Geträumten vollkommen überzeugt ist; erst wenn man aufwacht, fragt man sich, wie man den Traum für Wirklichkeit halten konnte. Es kann aber auch so sein, dass wir mit dem dunklen Wissen träumen, dass wir träumen Mit dieser ziemlich langen Einleitung wollte ich feststellen, dass eine programmierte virtuelle Realität gegenwärtig immer noch völlig dem Bewusstsein unterliegt, virtuell zu sein. Man kann also mit gutem Grund sagen, dass der Mensch, der sich der Illusion hingibt, darüber Bescheid weiß. Wenn man demnach etwas extrem Gefährliches unternimmt, (z.B. in die Kluft des Colorado-Canyon oder von der Spitze des Empire State Building herunter springt, oder auch (nicht ohne Genuss) einen Feind würgt oder ihn lediglich verprügelt, wenn er ein (fiktiv) geführtes Auto absichtlich gegen eine Betonsperre lenkt), dann weiß man in jedem Fall, dass das, was man macht, und das, was passiert oder passieren wird, lediglich eine Fiktion ist, deren

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