Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Innern des Wals

Im Innern des Wals

Titel: Im Innern des Wals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orwell George
Vom Netzwerk:
mit der sie den Gedanken an einen wilden, freien und ungebundenen Teufelskerl verbanden, einen Kerl, dessen Leben aus Fallenstellen, Hahnenkämpfen, Pferden, Bier und Frauen bestand. Masefields Everlasting Mercy (ersch. 1911), ein weiteres wertvolles Dokument der Zeit, das bei den Halbwüchsigen der Kriegsjahre ungemein populär war, gibt diese Vorstellungen in einer kruden Spielart wieder. Konnte man die Maurices und Terences von Housman ernst nehmen, so war das bei Masefields Saul Kane unmöglich. In gewisser Weise war Housman eine Art Masefield mit einem Schuß Theokrit. All seine Sujets sind pubertär – Mord, Selbstmord, unglückliche Liebe, früher Tod. Sie behandeln einfache, vorstellbare Verhängnisse, die einem das Gefühl geben, sich gegen die »Grundtatsachen« des Lebens aufzulehnen:
    The sun burns on the halfmown hill,
    By now the blood is dried;
    And Maurice amongst the hay lies still
    And my knife is in his side.
    [Die Sonne brennt auf den halb gemähten Hügel, jetzt ist das Blut getrocknet; und Maurice liegt still zwischen dem Heu, mit meinem Messer in der Seite.] Und weiter:
    They hang us now in Shrewsbury jail:
    The whistles blow forlorn,
    And trains all night groan on the rail
    To men that die at morn.
    [Sie hängen uns jetzt im Shrewsbury-Gefängnis: das Pfeifen klingt verloren, und Züge dröhnen die ganze Nacht vorbei an Männern, die am Morgen sterben.]
    Das ist alles mehr oder weniger auf den gleichen Ton gestimmt. Alles geht schief. »Dick liegt lang im Kirchhof, und Ned liegt lang im Kerker.« Man bemerke auch das exquisite Selbstmitleid, das »Niemandliebtmich«-Gefühl:
    The diamond tears adorning
    The low mound on the lea,
    Those are the tears of morning,
    That weeps, but not for thee.
    [Die diamantenen Tränen schmücken deinen kleinen Hügel im Land, es sind Tränen des Morgens, der weint, aber nicht um dich.]
    Kalter Kaffee, alter Junge! Die Art von Gedichten hätte für Halbwüchsige geschrieben sein können. Und der ständige sexuelle Pessimismus (das Mädchen stirbt immer oder heiratet einen andern) erschien den Jungen, die in Internaten zusammengepfercht gelebt hatten und mehr oder weniger glaubten, Frauen seien für sie unerreichbar, wie eine höhere Weisheit. Ich zweifle, ob Housman jemals dieselbe Anziehung auf Mädchen ausgeübt hat. In seinen Gedichten bleibt der weibliche Standpunkt außer Betracht, die Frau ist lediglich die Nymphe, die Sirene, das verräterische, halbmenschliche Geschöpf, das einen ein Stück des Weges begleitet, um einen dann sitzenzulassen.
    Housman hätte keinen so starken Einfluß auf die Generation gehabt, die 1920 jung war, wenn bei ihm nicht noch etwas anderes mitgewirkt hätte, und das war sein blasphemischer, antinomischer »Zynismus«. Der ewige Konflikt zweier Generationen war bei Ende des Ersten Weltkrieges ungewöhnlich bitter, was teils auf den Krieg selbst zurückging und teils eine indirekte Folge der Russischen Revolution war. Auf alle Fälle war eine geistige Auseinandersetzung um diese Zeit fällig. Durch das bequeme, sichere Leben in England, das nicht einmal durch den Krieg ernstlich gestört worden war, hatten vielleicht viele ihre Anschauungen, die sich in den achtziger Jahren oder noch früher herausgebildet hatten, völlig unverändert bis in die zwanziger Jahre bewahrt. Doch der jüngeren Generation waren unterdessen die offiziellen Grundsätze weggeschwemmt wie Sandburgen. Der Verfall des religiösen Glaubens zum Beispiel war geradezu sensationell, Jahre hindurch artete der Gegensatz zwischen Alt und Jung in wahren Haß aus. Was von der Kriegsgeneration übriggeblieben war, schleppte sich aus den Schützengräben nach Hause, wo man feststellte, daß die Älteren noch immer die Schlagworte von 1914 herunterleierten und die etwas jüngere Generation unter der Fuchtel von unverheirateten Lehrern mit schmutziger Phantasie stöhnte. Diese Generation war es, die Housman mit seiner unausgesprochenen sexuellen Revolte und seinem persönlichen Groll gegen Gott ansprach. Sicherlich war er patriotisch, aber in harmloser, altmodischer Weise, mehr zu Rotröckchen und den Klängen von »God save the Queen«, als zu Stahlhelmen und »Hängt den Kaiser«. Außerdem war er genügend antichristlich – er vertrat eine Art von bitterem, herausforderndem Heidentum, die Überzeugung, daß das Leben kurz ist und die Götter gegen die Menschen sind, was genau zu der unter den Jungen vorherrschenden Gesinnung paßte. Und das alles in einer

Weitere Kostenlose Bücher