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Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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rollte.
    Der Fahrer der Ambulanz hatte keine Fragen gestellt, obwohl er zunächst offenbar angenommen hatte, daß Carl verwundet war. Kein Wunder, denn Carls Anzug war voller Blutflecken. Doch Carl hatte Gennadij Alexandrowitsch die fahrbare Treppe hinuntergeführt, als wäre dieser krank, und ihn dann mit Hilfe des Ambulanzfahrers schnell auf eine Bahre gelegt und in den Wagen geschoben. Anschließend war die Treppe sofort von der Maschine weggerollt worden. Carl konnte gerade noch einer der Stewardessen, die die Tür schloß, zuwinken.
    Und jetzt hob die Maschine dort hinten mit einem mächtigen Dröhnen ihrer beiden scheinbar überdimensionierten Triebwerke ab. Carl seufzte erleichtert auf. Er hatte Zeit gewonnen.
    Nach einer weiteren Minute erreichte die Ambulanz den rot-weißgestreiften Schlagbaum, der die Grenze des UN-Territoriums markierte. Der braungebrannte schwedische UN-Soldat mit seinem blauen Stahlhelm verließ sofort sein Schilderhäuschen und hob die Schranke. Die Ambulanz fuhr auf das Gelände und bog nach rechts zum Krankenrevier ab.
    Als der Tower in Larnaka die Ankunft der beiden schwedischen UN- Offiziere meldete, die akuter Hilfe bedürften, hatte der SMO, der Senior Medical Officer, sofort Befehl gegeben, die Kinder aus dem Weg zu räumen. Da das Krankenrevier mit sechs normalerweise leeren Betten die einzige Baracke auf dem Gelände war, die eine Klimaanlage besaß, wurde sie allzu oft von Offizierskindern besetzt, die diesen Ort für ihre Videospiele ausgewählt hatten.
    Doktor Settergren, dem Rang nach Major, empfing die beiden Personen allein, da Schwester Gunn frei hatte und sich noch nicht hatte einfinden können. Es wurde ihm schnell klar, daß es hier um andere als medizinische Probleme ging.
    Zehn Minuten später, als die Frage der Stromversorgung der Diskothek auf verdienstvolle Weise gelöst war, erschien der SMO und nahm den Bataillonschef beiseite. Er machte ein seltsames Gesicht.
    »Am besten begibst du dich sofort ins Krankenrevier«, teilte er seinem Vorgesetzten in einem ziemlich zivilen Tonfall mit.
    »Aha? Worum geht’s denn?« fragte Karl-Erik Järn erstaunt. Es fiel ihm schwer, den Gesichtsausdruck des Arztes zu diagnostizieren.
    »Es ist offenbar eine Sache für den Bataillonschef und nicht für mich als Arzt«, erwiderte der Arzt geheimnisvoll. Eher neugierig als besorgt begab sich Karl-Erik Järn sofort ins Video-Tagesheim, wie das Krankenrevier eher abschätzig genannt wurde.
    Als er die Dunkelheit hinter den heruntergezogenen Jalousien betrat, dauerte es ein paar Augenblicke, bis sich seine Augen von dem scharfen Sonnenlicht draußen umgestellt hatten. Mitten im Zimmer, die Hände auf dem Rücken, stand eine Zivilperson, die etwa zehn Jahre jünger zu sein schien als Karl-Erik Järn. Als die beiden Männer sich die Hand gaben und begrüßten, entdeckte Karl-Erik Järn die großen Blutflecke auf dem Anzug seines Landsmanns und vermuteten Kollegen.
    »Bist du verletzt? Wo ist der Arzt geblieben?« fragte Karl-Erik Järn unsicher.
    »Nein, ich bin nicht verletzt«, erwiderte der andere kurz. »Ich heiße Carl Hamilton und bin beigeordneter Militärattaché. Bitte, hier ist mein Paß. Ich arbeite im Generalstab beim OP 5 und handle direkt auf Befehl des Oberbefehlshabers. Ich habe einen Gast bei mir, dessen Identität ich nicht zu enthüllen gedenke, und wir brauchen eure sofortige Hilfe.«
    »Aha. Dann setz dich doch erst mal«, erwiderte Karl-Erik Järn ein wenig unbeholfen, während er in Vorahnung dessen, was er jetzt erfahren würde, etliche seltsame Phantasien zu verscheuchen suchte.
    »Also«, fuhr Carl fort, »mein Gast muß nach Schweden. Es ist eine Angelegenheit von allergrößter Bedeutung. Die Maschine, mit der wir hergeflogen sind, war einem Entführungsversuch ausgesetzt. Wir haben die Entführer niedergekämpft, und die Maschine ist jetzt unterwegs nach Frankreich, wo sie in ein paar Stunden landen wird. In dieser Zeit müssen wir handeln. Wir müssen von hier weg, wir müssen unbedingt sofort nach Schweden. Ja, das ist es wohl in aller Kürze.«
    Der Bataillonschef blätterte eine Weile in Carls grauem Diplomatenpaß, während er um eine entschiedene Antwort rang.
    »Ich muß leider sagen, daß das ausgeschlossen ist. Eine solche Hilfe, von der du sprichst, können und dürfen wir schwedischem Personal nicht geben. Wir sind nämlich die UNO und nicht Schweden. Unser Befehlsstrang kommt aus New York und nicht aus Stockholm. Wenn ihr medizinische Hilfe

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