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Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Vielleicht hätten sie von den Amerikanern gelernt, nasse Jobs nicht von Regierungsorganen erledigen zu lassen, sondern von Randfiguren des operativen Spektrums. Vieles deute ja darauf hin. Es sei kaum vorstellbar, daß die Flugzeugentführer aus der Bande Abu Nidals vom Zweck der Operation gewußt hätten; sie seien sicher überzeugt gewesen, an der Freipressung von Genossen in Frankreich mitzuwirken, an nichts sonst.
    Wenn die Landung in Damaskus gelungen wäre, hätte der syrische Sicherheitsdienst die Pässe der Fluggäste kontrolliert und bei Herrn Nils Emil Svensson mit erstaunlichem Scharfblick einen gefälschten schwedischen Paß entdeckt und ihn deshalb festgehalten, um ihn dann in aller Stille verschwinden zu lassen. Die Flugzeugentführung selbst wäre dann nur noch eine Nebensache gewesen. So arbeiteten ja auch beispielsweise die Amerikaner in Mittelamerika. Dort gebe es wasserdichte Schotten zwischen freiberuflichen Operateuren auf dem Feld und Entscheidungsträgern bei der CIA oder anderen Sicherheitsorganen, ferner weitere wasserdichte Schotten zwischen den Entscheidungsträgern im Nachrichtendienst und den politischen Führern, damit der Präsident seine deniability wahrte. Ein antidemokratisches System, das in einer westlichen Demokratie so gut funktioniere, müsse ja auch in der Sowjetunion anwendbar sein.
    Daraus folge im übrigen, daß die Mörderbande, die jetzt auf den Genossen Gennadij Alexandrowitsch Jagd mache, nicht unbedingt aus Offizieren von GRU oder KGB bestehe, es könnten ebensogut unabhängige Gangster sein.
    Dieser Argumentation mochte sich der Alte nicht anschließen. Man habe es mit viel zu großen und konservativ bürokratischen Organisationen zu tun, in denen Neuerungen nicht ohne weiteres durchsetzbar seien. Anfang der neunziger Jahre, etwa ab 1992, oder 1993, könne man sich dramatischere Modernisierungen vorstellen, etwa wenn es Gorbatschow bis dahin gelingen sollte, genügend alte Marschälle loszuwerden, die Urzeit-Echsen, die kraft ihrer Meriten im Großen Vaterländischen Krieg nicht einfach abgesetzt werden könnten. Falls natürlich junge Leute aus Westdeutschland es sich nicht zur Gewohnheit machten, mit Sportmaschinen auf dem Roten Platz zu landen, kicherte der Alte. Dieses Ereignis habe Gorbatschow ja geholfen, zwei Fossilien mit einem Schlag abzuservieren.
    Sie verloren sich eine Zeitlang in Spekulationen, aber dann warf Carl die Frage auf, ob er den Dienst quittieren solle. Er nannte seine Gründe. Der Alte hob die nach oben gebürsteten Augenbrauen, daß er wie ein Uhu aussah; es war ihm anzumerken, daß er begriffen hatte: Diesmal wollte Carl nicht eins der mehr oder weniger selbstmitleidigen Klagelieder singen, die das schlechte Gewissen eingibt. Während Carl mit leicht zitternder Hand - was ihm sehr unähnlich war - einen neuen Whisky eingoß, holte der Alte einen der von seinen Ärzten strikt verbotenen Zigarillos mit einem kleinen weißen Kunststoffmundstück hervor.
    »Schieß los«, sagte er, nachdem er seine verbotene Versuchung angezündet hatte.
    »Ich habe mich eines Mordes schuldig gemacht und habe die Absicht, mich der Polizei zu stellen«, sagte Carl, nachdem er tief Luft geholt hatte.
    »Du meinst diesen Amerikaner? Ja, ja, ich weiß, Sorman hat mich vor etwa einer Stunde angerufen und ziemlichen Krach geschlagen. Eine höchst bedauerliche Angelegenheit. Wie bist du nur darauf gekommen, daß es eine Flugzeugentführung geben würde, und wie ist es dir gelungen, mit ihm die Plätze zu tauschen?« fragte der Alte erleichtert.
    Carl war perplex, fing sich aber wieder und beantwortete die Frage so schnell wie möglich, um zum Thema zurückzukommen.
    »Der Botschafter ist ein Tölpel. Er hat dem ägyptischen Sicherheitsdienst viel zuviel erzählt, und die haben viel zuviel gefragt, und das war eine recht offenkundige Gefahr. Auf dem Flughafen fand ich einen Amerikaner, der einen Raucherplatz wollte, und mit dem habe ich getauscht. Allerdings bin ich nicht davon ausgegangen, daß die Entführer in der Maschine schießen würden. Dafür braucht man ja eine besondere Munition, aber die hatten sie offenbar. Ich habe einige Proben mitgenommen, die gerade irgendwo analysiert werden. Natürlich war es nicht meine Absicht, daß er getötet wird. Ich meine, wenn ich angenommen hätte, daß es so ernst würde, hätte ich wohl nicht getauscht. Das glaube ich jedenfalls. Immerhin hätte ich bessere Möglichkeiten gehabt davonzukommen als so ein armer Architekt aus

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