Im Interesse der Nation
geschafft hatte, bevor er das Ziel fand. Er fühlte sich etwas unsicher. Ihn begann zu frieren. Inzwischen waren eineinhalb Stunden vergangen.
Den Rückweg würde er schneller zurücklegen, überdies in einer Tiefe von nur fünf Metern. In der einen Hand spürte er ein Stechen. Es war nicht die Kälte, vielleicht war es ein Warnsignal. Er errechnete einen neuen Kompaßkurs, schwamm los und stieg in eine Tiefe von fünf Metern auf.
Er schwamm in absoluter Leere und fühlte sich irgendwie auch selbst leer. Er schaltete das Gehirn gegenüber allen Schlußfolgerungen ab und widmete sich ausschließlich der Orientierung.
Zwanzig Minuten nach Verlassen des Ziels schaltete er sein elektronisches Peilinstrument ein. Die blitzschnell aufflammenden digitalen Zahlen klärten ihn darüber auf, daß er noch einhundertfünfundsiebzig Meter vor sich hatte und daß er weniger als zehn Meter vom Kurs abgewichen war. Er korrigierte ihn und schwamm schneller. Nach ein paar Minuten entdeckte er einen schwachen Lichtschein. Er kam aus dem offenen Turmluk, das die Schleuse mit der brennenden Lampe verbarg. Er schwamm mit ein paar energischen Zügen zum Turm, tastete nach dem Hydrophon und klopfte dreimal. Dann bestieg er den Turm und senkte sich mit den Füßen zuerst in die Schleuse, um dann die Luke zu schließen. Sie ließ sich schwerer als erwartet bewegen, so daß er seine ganze Kraft einsetzen mußte, um sie zu schließen. Dann zog er sich unter den Schirm und riß die Maske vom Gesicht, holte tief Luft und teilte mit, er sei an Bord, und die Luke sei geschlossen. Fast unmittelbar darauf vernahm er das Zischen der einströmenden Luft, die das Wasser hinauspreßte, und bald konnte er durch das Plexiglas erkennen, wie der Wasserspiegel sank. Erst unter das Gesicht, kurz darauf unter Kniehöhe. Er warf einen Blick auf die Uhr. Sie hätten noch weitere achtundvierzig Minuten auf ihn gewartet. Für einige da unten mußte die Zeit jedoch bedeutend langsamer verstrichen sein als für ihn.
Die Bodenluke wurde von einem Mann geöffnet, der ihm von unten half, so daß er sie öffnen und in einem Strom rauschenden Wassers unbeholfen die Leiter hinunterklettern konnte.
Es war der Zweite Offizier, der auf ihn wartete. Er sah bleich und mühsam beherrscht aus.
»Wie geht es dir? Was war die größte Tauchtiefe?« wollte er wissen.
»Mir geht es gut, alles in Ordnung. Größte Tauchtiefe war einundvierzig Meter«, erwiderte Carl und zwängte sich an dem Ib vorbei, um in dem schmalen Gang zum Torpedoraum zu watscheln.
Er war etliche Meter tiefer getaucht, als es die Sicherheitsvorschriften erlaubten. Doch am Ziel waren ihm Sicherheitsvorschriften nicht gerade als das Wichtigste erschienen.
Er fühlte sich steifgefroren und rieb sich Arme und Beine, als er wieder im Kommandantenraum war. Der Kommandant und der Ib erwarteten ihn.
Sie blickten ihn forschend an, und ihre Gesichter verrieten tiefen Ernst.
»Ist alles nach Plan gegangen?« fragte der Kommandant, der unwillkürlich flüsterte.
»Ja«, erwiderte Carl, »es ging erschreckend gut.«
»Ich glaube, du könntest jetzt einen Whisky vertragen, oder?« fuhr der Kommandant fort.
»Das glaub’ ich auch, wenn es nicht gegen die Sicherheitsbestimmungen verstößt«, lächelte Carl, fast verlegen über seine alberne Replik. Wie ein Schauspieler in einem Kriegsfilm dachte er.
Der Kommandant stellte eine Flasche Ballantines auf den Tisch, ein Studentengesöff, das Carl seit seiner Zeit als Wehrpflichtiger nicht mehr angerührt hatte. Der erste tiefe Schluck brachte ein paar kurze, merkwürdige Erinnerungsfetzen an die Oberfläche. Er schloß die Augen und ließ das Getränk eine Weile im Mund brennen.
»Mir ist kalt«, sagte er. »Habt ihr eine Warmwasserdusche an Bord?«
Eine Dusche hatte erwärmtes Meerwasser. In dem engen Duschraum hatte man schon alles für ihn vorbereitet. Dort lagen ein sauberes Handtuch und ein Stück Seife, eine hellgrüne Seife für Salzwasser.
Carl blieb mehr als zwanzig Minuten im Duschraum. Er massierte den Körper und tastete Muskel um Muskel nach stechenden Alarmsignalen ab. Doch die Schmerzen waren nur auf die Kälte zurückzuführen, und während er sich aufwärmte, verschwanden alle eingebildeten Warnzeichen für eine Vergiftung; er war tiefer getaucht, als für seine Nitrox-Mischung vorgesehen war, wenn auch nur einige Meter. Die Grenze zwischen einem gesunden, unverletzten Taucher und einem plötzlich vergifteten ist jedoch nicht immer
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