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Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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antworten?«
    »Darüber hast du wirklich nicht zu entscheiden. Setz dich erst mal, dann werde ich der Angelegenheit nachgehen«, sagte Carls Vorgesetzter in einem Tonfall, der keinen Zweifel daran ließ, daß er diesmal tatsächlich Carls Vorgesetzter war. Damit nahm er den Hörer ab, rief die Sekretärin des Marinechefs an und führte ein nicht ganz unkompliziertes Gespräch, das Carl überdeutlich spüren ließ, wohin die Reise ging.
    »So«, sagte Johan F:son Lallerstedt ironisch, als das Gespräch beendet war, »diese Frage ist schon bestens vorbereitet. Du sollst dich auf Anweisung des Marinechefs zur angegebenen Zeit am angegebenen Ort einfinden. Sogar eine Minute früher, da der Marinechef in seiner Eigenschaft als ranghöchster Offizier der Waffengattung nach dir kommen muß. Das ist etwa so wie bei königlichen Hoheiten. Anzug: Galauniform. Du hast die Erlaubnis, auch andere Auszeichnungen und Verdienstorden zu tragen. Was heißt Erlaubnis, es ist ein Befehl. Wenn ich die Sache richtig verstanden habe, liegt das wohl daran, daß der Marinechef Kommandeur des französischen Dienstordens ist, den er gern anlegen will. Du hast dich also mit allen Orden und Ehrenzeichen in Galauniform eine Minute vor der angegebenen Zeit am angegebenen Ort einzufinden.«
    Carl riß vor Verblüffung den Mund auf. Sein Vorgesetzter lächelte fröhlich.
    »Was zum Teufel ist denn Galauniform?« fragte Carl matt.
    »Kurze Affenjacke wie beim Frack, allerdings ohne Schwanz, weiße Hemdbrust, schwarze Fliege, schwarze Schuhe und Hosen mit schmalen goldenen Biesen«, kicherte der Fregattenkapitän.
    »Soll ich etwa auch noch Säbel tragen?« knurrte Carl.
    »Nein, die Sitte haben wir inzwischen abgeschafft. Mach dir keine Sorgen, ich kann dir Hosen und Umhang leihen, den Rest besorgen wir.«
    »Umhang!? Soll ich etwa wie Graf Dracula rumlaufen?«
    »Wird mit einer Metallspange am Hals befestigt. Kadetten lieben die Dinger. Ich habe meinen seit zehn Jahren nicht mehr angelegt, und ich hoffe, die Motten haben ihn nicht schon zerfressen.«
    »Und wo kriegen wir den anderen Mist her?«
    »Olympia Herrenmode am Sveavägen.«
    »Olympia Herrenmode - das hört sich an wie eine Art Woolworth für die besseren Stände. Haben die auch Capes? Nein, ich meine Westen für Korvettenkapitäne?«
    »Mach dir keine Sorgen, die haben alles an Marinebedarf. Wir könnten sogar ein älteres Modell für dich besorgen, damit du richtig fesch wirst.«
    »Wenn mich die Tschekisten so sehen, lachen sie sich tot.«
    »Davon kann keine Rede sein. Die Russen haben für diese Dinge auch eine Schwäche.«
    »Teufel auch. Wir haben genug Probleme am Hals, und ich soll auf eine Maskerade gehen.«
    »Nur keine Sorge, wenn ich die Ausrüstung für unsere Aufträge besorgen kann, werde ich auch noch eine Weste für die Galauniform und ein Frackhemd besorgen können.«
    Höchst widerstrebend begab sich Carl in die Stadt, um bei Olmypia Herrenmode am Sveavägen die notwendigen Kleidungstücke zu besorgen. Wie sich zeigte, mußte einiges geändert werden. Außerdem mußten die Rangabzeichen angenäht werden, Fregattenkapitän und Kapitän zur See seien vorrätig, aber gerade Korvettenkapitän sei im Moment nicht da. Wenn es eilig sei, werde es natürlich etwas teurer…
    Eineinhalb Stunden später kehrte Carl mit gemischten Gefühlen ins Büro zurück. Einerseits mußte er über die groteske Komik der Situation grinsen. Der Marinechef hatte doch tatsächlich in dieser Frage klare Befehle gegeben, obwohl er um den Ernst der Lage wußte. Carl spürte so etwas wie dumpfe Wut darüber, daß ein so hoher Offizier seine Eitelkeit höher stellte als jedes vernünftige Sicherheitsdenken. Doch Befehl war Befehl.
    Als Carl zurückkam, machte er sich schon auf neue Scherze seines Vorgesetzten gefaßt, doch daraus wurde nichts. Lallerstedt hatte inzwischen per Kurier vom OP 5 einen ausführlichen schriftlichen Befehl erhalten, den er in Carls Abwesenheit sorgfältig durchgelesen hatte. Er nahm ihn mit in sein Zimmer, schloß die Tür und überreichte Carl die Papiere. Der sachliche Inhalt war Carl schon bekannt, so daß er diesen Abschnitt schnell überfliegen konnte. Er fühlte sich erleichtert, daß sein unmittelbarer Vorgesetzter jetzt ebenfalls informiert war. Das erleichterte den Umgang.
    Der Auftrag lautete, Alternativen zu dem ersten gedachten Waffeneinsatz, Alternative A genannt, auszuarbeiten. Dieser Kampfauftrag war ebenso unkompliziert wie unmöglich. Zu einem gegebenen

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