Im Interesse der Nation
Angestellten und Arbeitern gezahlt wurde, von denen, die nicht klagten.
Irgendwo im Hinterkopf saß bei Carl jedoch ein kleiner Teufel, der ihm zuflüsterte, gerade dieser Jahresabschluß komme ausgesprochen gelegen, da er diesmal ungewöhnlich gute Gründe hatte, der Steuerfrage keine Zeit und keine Energie zu widmen. Er konnte darauf verweisen, daß er im Interesse des Staates Unaufschiebbares zu erledigen habe. Die Staatsräson machte es in diesem Jahr unmöglich, Steuern zu zahlen. Ein Jahr zuvor hatte die Sicherheit des Reiches seinen Beitrag zu den Steuerleistungen von Angestellten und Arbeitern verhindert.
Nach den Besprechungen in der Bank war er zum Sveavägen geeilt und hatte errötend wie ein Schuljunge sein Paket mit der Galauniform abgeholt, um anschließend wie der Blitz nach Hause zu fahren, wo Lallerstedt schon unten an der Haustür auf ihn wartete. Dann ging es hinauf. Die Maskerade konnte beginnen.
»Du siehst jedenfalls verdammt gut aus, mein Junge«, hatte Lallerstedt festgestellt, als er das Endprodukt seiner einstündigen Arbeit betrachtete. Er hatte zwischendurch immer wieder zum Telefon laufen müssen, um sich bei Offizierskameraden zu erkundigen, die sich in Fragen der Etikette besser auskannten als er.
Das Endprodukt saß jetzt jedenfalls in einem Taxi und fühlte sich wie eine Mischung aus Graf Danilo und Graf Dracula.
Carl hatte den Taxifahrer gebeten, noch eine Zusatzrunde um den Narvavägen zu drehen, um exakt zur festgesetzten Zeit anzukommen. Als der Wagen vor dem löwengelben Gebäude hielt, entdeckte Carl, daß man an der Vorderseite des Hauses die Trikolore gehißt hatte. Das erschien ihm weniger diskret. Er bezahlte und verhedderte sich beim Aussteigen in seinem Umhang. Er spürte, daß er jeden Moment einem hysterischen Lachanfall erliegen konnte. Er lief schnell zum Eingang, den Umhang bis ins Gesicht hochgezogen, daß er wie ein echter Filmschurke früherer Zeiten aussah, und läutete.
Die Tür wurde sofort von jemandem geöffnet, der drinnen gewartet haben mußte. Ein hochmütiger livrierter Diener mit den Initialien RF auf seinen blanken Knöpfen nahm ihn in Empfang.
»Willkommen, Monsieur le Comte«, sagte der Diener hochmütig, selbstverständlich auf französisch, und streckte die Hände nach Carls Umhang aus. Carl ließ das Theaterkleidungsstück von den Schultern gleiten und überreichte es zusammen mit Lallerstedts weißen Handschuhen. Dann rückte er seine Fliege zurecht. Der Hemdkragen war eine Spur zu eng.
Der Botschaftsbedienstete, der ihn Graf genannt hatte, womit ihn kein Mensch jemals angeredet hatte, es sei denn im Scherz oder ironisch, führte ihn in einen der Empfangsräume der Botschaft. Carl schluckte und trat ein. Dort warteten fünf Personen. Eine davon offenbar der französische Botschafter, da er als einziger Zivilkleidung trug, falls man den Botschafterfrack mit seiner goldbestickten Brust voller Eichenlaub zivil nennen wollte, und neben dem Botschafter eine Frau im gleichen Alter, die nur seine Frau sein konnte.
Die drei anderen waren französische Offiziere in Paradeuniform, ein Major, ein Oberstleutnant oder Oberst sowie ein Oberst oder Brigadier; Carl war sich bei den französischen Rangabzeichen nicht ganz sicher.
»Mon cher capitaine, erlauben Sie mir, Sie im Namen Frankreichs willkommen zu heißen«, sagte der Botschafter und kam ihm mit ausgestreckten Armen entgegen, als wollte er Carl in den Arm nehmen und küssen. Als Carl zögerte, kam es jedoch nur zu einem halbherzigen Versuch und einem Händedruck. Der Botschafter erstarrte plötzlich, als er Carl seiner Frau vorstellen wollte. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich fast unmerklich, als er einen bestimmten Punkt unter Carls Kinn fixierte, hatte sich aber gleich wieder in der Gewalt und stellte Carl dann den anderen vor. Die Offiziere grüßten straff, mit ernster Miene und festem Händedruck.
Als diese Prozedur beendet war, erschien Vizeadmiral Carl-Erik Halldén mit der Kommandeurs-Ausführung des französischen Verdienstordens am Hals.
Carl stellte sich steif neben die anderen Offiziere, als sein Chef die Begrüßungszeremonie durchlief. Zuletzt begrüßten sich die beiden Landsleute, und der Marinechef machte die gleiche verblüffte Miene, die der Botschafter nur angedeutet hatte, als er Carl ansah.
Die Erklärung, die Carl erst lange Zeit später erhielt, war ziemlich einfach. Der Marinechef hatte Carl zwar befohlen, sich mit Orden und Ehrenzeichen einzufinden -
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