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Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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drängte sich dann der französische Stern neben das deutsche Kreuz.
    Schräg hinter dem Botschafter stand der junge Militärattaché, Major Alain Fritch. Er hatte eine ungefähre Vorstellung oder zumindest eine Vermutung, wie alles zugegangen war.
    Wie kaum anders zu erwarten, hatte der französische Generalstab fast routinemäßig vorgeschlagen, dem Vizeadmiral den Kommandeursstern und dem untergeordneten Offizier den Ritterstern zu verleihen. Der Präsident der Republik hatte es jedoch für unpassend befunden, denjenigen, der nichts getan hatte und der sozusagen nur der Form halber vorgeschlagen worden war, mit einer höheren Auszeichnung zu ehren als den Mann, der tatsächlich etwas getan hatte. Und so hatte der Präsident kraft seines Amtes den schockierenden Entschluß gefaßt, einen ausländischen Offizier von Anfang dreißig zum Kommandeur der Ehrenlegion zu machen. Das war vermutlich ein beispielloser Vorgang, der sich möglicherweise damit erklären ließ, daß der Präsident ein Sozialist mit einem allzu schwach entwickelten Gefühl für Traditionen war. Immerhin war der schwedische Admiral Kommandeur des Ersten Grades geworden, eine Stufe höher. Die Entscheidung ließ sich jetzt jedenfalls nicht mehr rückgängig machen.
    Der Botschafter trat einen Schritt zurück und klatschte erneut verhalten, wie beim Marinechef, und Carl bemühte sich, seine Verbeugung genauso gemessen und steif ausfallen zu lassen wie sein Vizeadmiral. Er fühlte sich unsäglich verlegen. Darauf zeigte der Botschafter mit einer weitausholenden Geste auf die hinteren Räume, und von diskretem Personal wurden Seitentüren geöffnet. Im Nebenraum warteten Champagner, Gänseleber und russischer Kaviar.
    Die Gesellschaft teilte sich in kleine Gruppen. Der Botschafter versuchte, den Arm um den Marinechef zu legen und ihn beiseite zu ziehen, was angesichts der unterschiedlichen Körpergröße der beiden Männer nicht ganz leicht war. Der offenbar Ranghöchste der anwesenden französischen Offiziere ging auf Carl zu und gab ihm die Hand.
    »Gratuliere nochmals, lieber Coq Rouge«, sagte der Oberst oder Brigadier oder was immer er war. Carl ignorierte die Anspielung auf die Codebezeichnung.
    »Verbindlichen Dank«, erwiderte er steif.
    »Major Alain Detoureille hat ebenfalls die Ehrenlegion erhalten, wenn auch nur das Ritterzeichen. Und postum, natürlich«, sagte der französische Offizier in einem freundlichen Tonfall, der mit seinem Gesichtsausdruck nicht recht übereinstimmte.
    Eine Flut unangenehmster Erinnerungen überschwemmte Carl. Er mußte sich zusammenreißen, damit er darauf etwas sagen konnte. Die Worte des Franzosen verlangten in all ihrer verhaltenen Giftigkeit nach einer Antwort.
    »Es freut mich, daß Frankreich seinen Einsatz zu schätzen wußte. Major Alain Detoureille war ein mutiger Offizier, der für sein Land gestorben ist«, erwiderte Carl auf englisch, da sein Französisch jetzt nicht mehr reichte.
    »Haben Sie ihn vielleicht getötet, Coq Rouge?« fragte der französische Offizier mit dem gleichen Kontrast zwischen freundlichem Tonfall und hartem Gesichtsausdruck.
    »Wer sind Sie, und was wollen Sie?« fragte Carl so professionell wie möglich. Er konnte sich nicht einfach aus dem Staub machen, und es war unmöglich, die Fragen unbeantwortet zu lassen.
    »Ich bin Abteilungschef beim DGSE«, erwiderte der Offizier und warf einen langen, nachdenklichen Blick auf den Bundesadler unter Carls Kinn, bevor er diesem ins Gesicht blickte und fortfuhr. »Wir würden gern Bescheid wissen.« Die Worte waren wie Peitschenhiebe.
    Carl sah sich verzweifelt im Raum um. Der Botschafter und der Vizeadmiral waren in ein lebhaftes Gespräch vertieft, in dem es um alles mögliche gehen mochte, jedoch nicht um ernste Dinge. Der Militärattaché machte höfliche Konversation mit der Frau des Botschafters. Im übrigen hielt sich nur Bedienungspersonal in dem fast hundert Quadratmeter großen Raum auf.
    Carl streckte die Hand nach einem neuen Glas Champagner aus und stellte gleichzeitig seinen kleinen Teller mit den Überresten eines Gänselebersandwichs ab, erstickte einen Impuls, sich den Mund abzuwischen, nippte am Champagner und kam zu einem Entschluß.
    »Sie wollen also wissen, was in Hamburg geschehen ist«, stellte er kurz und geschäftsmäßig fest. Inzwischen war auch der Oberstleutnant hinzugetreten. Die beiden Männer nickten. Carl dachte schnell nach.
    »Wissen Sie ungefähr, was geschehen ist?« fragte er weiter und erhielt

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