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Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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irgendwo registriert werden.
    Er überquerte den Bürgersteig ohne Eile und ließ sich sogar Zeit, das Gebäude zu betrachten. Es wirkte irgendwie finnisch. Ergrautes, »unbehandeltes« Holz (vermutlich Silbernitrat) an den Außenwänden, und das Dach bestand gleichfalls aus unbehandelten Holzplatten, die wie Schieferplatten verlegt waren. Der viereckige Aufbau auf dem Dach ließ einen alten Leuchtturm oder ein Hafenbüro vermuten. Doch ganz oben saß eine Wetterfahne in Form eines Pottwals, was die finnische Ausstrahlung zerstörte.
    The San Diego Pier Café, wie das Fischrestaurant hieß, war das erste Lokal, in das er sie eingeladen hatte. Das war 1981 gewesen, als das Lokal gerade eröffnet hatte und für ihre knapp bemessene Studentenkasse eigentlich etwas zu exklusiv war. Damals wußte er noch nicht, daß sein Aktiendepot in Schweden ihn später jede Stunde um eine Summe reicher machen würde, die der fürstlichsten Restaurantrechnung entsprach.
    Inzwischen hatte man am Eingang im Unterschoß eine kleine Glasveranda angebaut, auf der Gäste unter blauen Sonnenschirmen an blauweiß-karierten Tischdecken saßen.
    Carl ging ins Obergeschoß mit dem sogenannten Seeblick, wo er einen Tisch bestellt hatte. Der Seeblick bestand zum größten Teil aus der Halbinsel Coronado und der großen Flottenbasis mit ihren grauen Silhouetten. Kriegerisches Muskelspiel einer Supermacht.
    Carl erwartete nicht, daß sie rechtzeitig kommen würde. Er war sich nicht einmal sicher, ob sie überhaupt erscheinen würde, nur weil er Herb angerufen und gesagt hatte, er sei zufällig hier, und wenn es ihr passe, und so weiter. Doch sie kam, wenn auch drei Minuten zu spät.
    Seine Verblüffung hielt ihn auf dem Stuhl fest, und so kam er etwas zu spät auf die Beine, um ihr formvollendet den Stuhl hinrücken zu können, was eine höchst unamerikanische Sitte war.
    »Wenn du mich weiter so anstarrst, fallen dir noch die Augen aus dem Kopf, Carl. Oder die Leute werden glauben, daß du zu dieser exklusiven sexuellen Minderheit gehörst, du weißt doch, diesen Spannern«, sagte sie so schnell wie entwaffnend, als sie sich setzte. Dann zeigte sie ihr sehr breites und halb mexikanisches Lächeln und nickte sacht. Ob dieses Nikken nachdenklich oder ironisch war, hatte er nie herausfinden können.
    »Ja, Verzeihung«, erwiderte er verlegen, »aber du hast mich überrumpelt. Ich hatte nicht damit gerechnet, daß du kommst.«
    »Beim letztenmal wurden wir sozusagen unterbrochen.«
    »Ja, das könnte man sagen. Führst du ein glückliches Leben?«
    »Du kommst heute ja ungewöhnlich schnell zur Sache. Führst du selbst ein glückliches Leben?«
    »Nein, das läßt sich kaum sagen. Und du?«
    Sie senkte den Blick und sah aus dem Fenster. Sie schwieg so lange, daß er annahm, sie wollte die Frage unbeantwortet lassen. Doch dann drehte sie sich plötzlich um, und ihr Lächeln wirkte unsicher.
    »Verdammt, Carl, aber ich glaube, wir haben es vermasselt«, sagte sie schnell und direkt. Er hatte noch nicht ganz auf amerikanisches Gehör umgeschaltet und lächelte verlegen über die groben, aber doch recht alltäglichen Ausdrücke, die sie gebraucht hatte.
    »Meinst du, als ich oben in Santa Barbara den Staubsaugervertreter spielte?«
    »Nein, aber du hast mich bei deinem Besuch erschreckt. Ich sah etwas in deinen Augen, was ich noch nie zuvor gesehen hatte, und dabei glaubte ich, dich ganz gut zu kennen. Ich meine, daß wir es schon lange vorher vermasselt haben, aber geschehen ist geschehen.«
    Sie wurden von der Kellnerin unterbrochen, die ihre Bestellung aufnehmen wollte. Carl, der davon ausging, daß Tessie noch immer keine bestimmten Wünsche hatte, bestellte schnell zwei Grillspieße mit Krabben, Fisch und Pilgermuscheln sowie eine Flasche kalifornischen Chardonnay. Und Eiswasser, wie er nach einem kurzen Blick von Tessie noch schnell ergänzte.
    »Erinnerst du dich noch an unseren ersten Besuch hier?« fragte er, um das Gespräch auf die Wellenlänge zurückzubringen, die sie vor der Unterbrechung gehabt hatten.
    »Und ob. Ich weiß noch, was wir damals gegessen haben. Es steht nämlich noch immer auf der Karte: Three-egg omelette with crab, shrimp, cheese, and golden hash browns on the side für vier Dollar und fünfzig Cent. Du bestandst darauf zu bezahlen, aber deinen ängstlichen Blick in die Brieftasche habe ich nicht vergessen.«
    »Na klar, ich wollte bei dir natürlich Eindruck machen. So ein mexikanischer Schuppen kam nicht in Frage, weil ich

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