Im Interesse der Nation
keiner der GRU-Agenten bei der Sicherheitspolizei etwas von Gennadij Alexandrowitschs Aufenthaltsort wußte. Jedenfalls war es eine systematische und damit aussichtsreiche Methode.
Und wenn Gennadij Alexandrowitsch geortet wurde, war der Rest für die Spezialisten für nasse Jobs vermutlich nur noch ein Kinderspiel.
Jurij Tschiwartschew prustete beinahe wieder los, als er sich die Konsequenzen vorstellte, falls man die Operateure während des Einbruchs bei der Werbeagentur erwischt hätte - das Risiko bestand immer, selbst die Besten konnten mal Pech haben. Doch neben diplomatischen und sonstigen Konsequenzen hätten beim schwedischen Sicherheitsdienst die Köpfe geraucht; was um alles in der Welt wollte das GRU durch einen Einbruch bei einer Werbeagentur gewinnen?
Nun, es war alles abgelaufen wie geplant.
Auf dem Weg zu seinem Kollegen, dem Tschekisten, summte Tschiwartschew ein Lied aus seiner Kindheit. Er hatte diesen Anatolij Wassiljewitsch nie gemocht. Dieser halbfette Typ mit schlotternden Anzügen, viel Schweiß auf der blanken Stirn, fetten, kurzen Fingern, und dazu unzuverlässig. Zudem war er ein Speichellecker mit der Neigung, sich manchmal aufzuspielen und so zu tun, als könnten die Tschekisten das GRU irgendwie herumkommandieren.
Leider hatte der KGB-Resident schon in dem Moment, in dem Jurij Tschiwartschew den Raum betrat, dieses hochmütige Gesicht aufgesetzt.
»Sieh an, guten Morgen, mein lieber Jurij Michailowitsch. Der frühe Vogel fängt den dicksten Wurm. Ich habe gute Nachrichten für dich, Jurij Michailowitsch«, grüßte der Feind mit einem Gesichtsausdruck, der unter dem gespielt freundlichen Lächeln irgendeinen eingebildeten Triumph verbarg.
»Guten Morgen, Genosse Subarow«, grüßte Jurij Tschiwartschew gemessen und setzte sich.
»Aber, aber, lieber Jurij Michailowitsch, jetzt bist du schon wieder so förmlich. Ich nehme an, du hast die gleiche Nachricht von zu Hause wie ich selbst?«
»Keine Ahnung. Von welcher Nachricht sprichst du?«
»Daß die Operation von nun an politische Priorität hat. Eure Tätigkeit im Fall Gennadij Alexandrowitsch soll abgebrochen werden, nicht wahr?«
»So kann ich es nicht deuten. Unsere Hauptaufgabe ist immer noch, ihn zu orten und das Todesurteil nach dem Willen des Politbüros zu vollstrecken.«
»Ja, ja, sucht ihr nur weiter, ihr werdet sicher Erfolg haben. Doch im übrigen seid ihr von der Operation abgekoppelt, nicht wahr?«
»Die Aufgabe ist schwer genug. Das solltest du wissen, Anatolij Wassiljewitsch. So gewichtige Aufträge bekommen wir ja nicht oft.«
»Schon gut, schon gut, sucht nur weiter. Doch das Problem wird eine politische Lösung finden, und ich bin sogar autorisiert, dir die allgemeinen Richtlinien dafür mitzuteilen. Ich vermute, du bist ganz Ohr?«
»Selbstverständlich, Anatolij Wassiljewitsch. Laß hören. Wie wollt ihr das Problem mit friedlichen Mitteln lösen?«
»Die schwedische Regierung hat in den letzten vierundzwanzig Stunden leider eine etwas schwankende Haltung eingenommen, aber wir werden morgen vermutlich durch unseren Botschafter verlangen, daß Gennadij Alexandrowitsch ausgeliefert wird. Uns vorliegenden Berichten zufolge hat er sich einer peinlich langen Liste von Verbrechen schuldig gemacht. Korruption, Schwarzmarktgeschäfte, Vetternwirtschaft, ungebührliche Ausnutzung seiner Stellung…«
»Mir brauchst du solche Albernheiten nicht aufzuzählen«, unterbrach Jurij Tschiwartschew irritiert. »In Wahrheit ist Koskow des Landesverrats schuldig, was wohl auch für die schwedische Regierung der interessanteste Aspekt sein dürfte, oder?«
»Nein, lieber Jurij Michailowitsch, da solltest du nicht so sicher sein«, lächelte der Tschekist feindselig, was er nicht einmal verbergen konnte.
»Er hat den Schweden offenbar einiges an Allgemeinplätzen und einige höchst geheime Angaben über bestimmte Aktivitäten fremder Militärs auf schwedischem Territorium aufgeschwatzt, und es hat den Anschein, als hätten wir davon gewußt. Wie ich höre, werden wir einen für beide Parteien höchst vorteilhaften Tausch zustande bringen. Folglich ist das Ganze von nun an eine politische Operation. Folglich unser Ressort.«
»War das alles, Genosse Subarow?« fragte Jurij Tschiwartschew, während er zur Seite blickte und die Zähne zusammenbiß.
»Aber, aber, lieber Jurij Michailowitsch, jetzt wirst du schon wieder so förmlich. Ja, das war alles. Ihr habt euch also nur noch der Ortung unseres kleinen Schwarzmarkt-Hais
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