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Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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ein schwarzes, kreisförmiges Symbol mit der Aufschrift Alcatraz Swimming Team. Wer aus Alcatraz ausbrechen wollte, hatte sich darauf einstellen müssen, zehn Kilometer in der kalten Strömung zu schwimmen.
    Alcatraz.
    Ein Ort, an dem man zum Beispiel besonders gefährliche Mörder lebenslänglich verwahrte. Wenn man nur um Nuancen anders beurteilte, was erlaubt und verboten ist, hätte Carl viel eher als die meisten anderen Häftlinge nach Alcatraz gepaßt. Doch für manche Morde gibt es Alcatraz, während man für andere beispielsweise das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse zusammen mit einer Urkunde erhält, die der Bundespräsident unterzeichnet hat.
    Die Urkunde war zwei Monate nach Carls Rückkehr aus der Bundesrepublik per Post beim Generalstab angekommen. Den roten Orden in der blauen Schachtel hatte er auf dem Rückflug in der Jackentasche mitgebracht.
    Der Wagen steuerte wie ein kleineres Schiff erneut in den Nebel, während Carl sich gleichzeitig zwang, zu vergessen. Er war ein anonymer Amerikaner Anfang dreißig mit einem Examen der UCSD, Master of Science, Hauptfach EDV. Das war völlig normal, er war ein vollkommen normaler Mensch. Möglicherweise eher wie ein Mann von der Ostküste gekleidet als ein typischer Kalifornier, aber dagegen ließ sich schnell und leicht etwas unternehmen.
    Kurze Zeit, nachdem er die Brücke verlassen hatte, fuhr er über einen Viadukt wieder auf die Brücke zurück und überquerte sie in der Gegenrichtung. Allmählich hatte er sich entschieden.
    Er wählte die kleinere Küstenstraße nach Monterey, den Cabrillo Highway. Er schaltete das Radio ein und probierte es mit rund dreißig Stationen, bis er das fand, was man mit etwas Beharrlichkeit immer finden konnte, die Station irgendeines Public Radio oder einer Universität, die statt der ewigen, mit Werbeschnipseln gewürzten Rock oder Country-Musik klassische Musik ohne jede Werbung brachte. In mancherlei Hinsicht war Carl nie ganz Amerikaner geworden.
    Er landete mitten im zweiten Satz eines Violinkonzerts. Er tippte auf Brahms. Carl fuhr langsam und mit mühsam abgeschalteter Gehirntätigkeit, eingehüllt von der Musik und dem leisen Rauschen der Klimaanlage, bis er nach Santa Cruz kam und anhielt. Er blickte kurz auf die Karte, bog zum Meer hin ab und fand ein kurzes, verlassenes Stück Sandstrand, wo um diese Jahreszeit kein Mensch badete. Er ging eine Weile allein am Strand entlang, gerade außer Reichweite der weichen Dünung. Trotz des klaren Himmels war es kühl, und das Meer war eher graugrün als blau.
    Santa Barbara kam unerbittlich näher. Es war Samstagnachmittag, und er sollte sich erst am Montagmorgen um 8 Uhr draußen in der Mojave-Wüste einfinden. Seine Expedition nach Santa Barbara lag vollkommen außerhalb des offiziellen Programms. Er überlegte kurz, daß er auf diesen Besuch verzichten sollte, daß er letztlich sinnlos sei, daß sich die Vergangenheit nicht wiederholen lasse.
    Carl blieb eine Zeitlang am Wasser stehen und warf Steine in die Dünung. Soviel er wußte, hatten sie seit einiger Zeit die Footballmannschaft der USCD aufgelöst. Er hatte Quarterback gespielt und war einer der zwei Werfer der Mannschaft gewesen. Sie hatten zwar meist verloren, aber einmal war ihm ganz am Ende eines Spiels ein 55-Yards-Paß gelungen, den ein Stürmer weniger als zwei Yards vor der Ziellinie erwischt hatte, was zu einem sofortigen Touch-down und damit zum Sieg geführt hatte.
    Doch mit dem Sport war es in seinem Leben zu Ende. Er war über dreißig. Vermutlich würde er mit einiger Erfolgsaussicht bei den schwedischen Meisterschaften in schwerer Pistole oder im Schnellschießen antreten können, aber derlei Indiskretionen eines Mannes, der Manager in der EDV-Branche zu sein vorgab, kamen natürlich überhaupt nicht in Frage. Die Vergangenheit war mit den Gezeiten unerbittlich fortgespült worden.
    Das Steinewerfen verursachte ihm Schmerzen im Arm. Nein, mit all dem war es zu Ende. Warum wollte er unbedingt nach Santa Barbara?
    Er ging zum Wagen zurück, schaltete das Radio ein und fuhr an Monterey vorbei weiter nach Süden. Die unbekannte Radiostation brachte jetzt Cembalomusik, vermutlich etwas von Bach.
    Bei der Einfahrt nach Monterey zögerte er, ob er den landeinwärts gelegenen schnelleren Freeway 101 wählen oder lieber weiter an der Küste entlangfahren sollte. Er hatte es ja nicht eilig, nach Santa Barbara zu kommen. An diesem Abend konnte er unmöglich dort aufkreuzen. Folglich entschied er sich, weiter

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