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Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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an der Küste entlangzufahren und der Straße zu folgen, die man Big Sur nennt. Er hatte sie noch nie gesehen, aber schon viel davon gehört.
    Von Zeit zu Zeit begann sich in seinem Kopf alles zu drehen, eine typische Folge der Zeitverschiebung. Er beschloß, irgendwo in der Nähe zu übernachten. Er bog von der Straße ab und fuhr in Richtung Carmel By The Sea. Dieser kleine Ort war vor allem dadurch bekannt geworden, daß der Schauspieler Clint Eastwood dort Bürgermeister geworden war. Carl hatte nur einen von Eastwoods Filmen gesehen, einen Streifen mit einem Polizisten namens Dirty Harry, der mit einem Smith & Wesson .44 Magnum herumfuchtelte, als wäre er eine leichte kleine .22er. Carl hatte sich nach dem Kinobesuch auf die Zunge beißen müssen, um seinen Begleitern nicht den Unterschied zwischen den beiden Waffen zu erklären, und seitdem auf weitere Filme mit Clint Eastwood verzichtet.
    Carmel ist eine kleine Gemeinde von kleinen Villen auf einem sandigen Hügel nahe am Meer mit einem dichten Wald niedriger, langnadeliger kalifornischer Kiefern. Das Städtchen wirkte jetzt im Winter hübsch und idyllisch und eher wie ein Refugium für Pensionäre als ein Touristenziel.
    Carl fuhr eine Zeitlang zwischen den niedrigen Holzhäusern hin und her. Er hatte die Klimaanlage ausgeschaltet und die Seitenscheiben heruntergekurbelt, um den Duft von Kiefernnadeln und Meer atmen zu können. Er fühlte sich immer noch unentschlossen, als er ein Stück weiter ein Dala-Pferd mit blauem Muster entdeckte.
    Als er das vor einer Tür hängende Dala-Pferd erreicht hatte, verstand er den Zusammenhang. Auf dem Holzschild unter dem Pferd stand in geschnitzten Goldbuchstaben: Bergstroem’s Swedish Inn.
    Neben dem kleinen Hoteleingang lag ein Ladengeschäft mit einer roten Flagge mit einem weißen, diagonalen Streifen im Schaufenster. Das gab den Ausschlag. Carl fuhr zwischen den niedrigen Holzhäusern in blaugrauer, vielleicht dala-blauer Farbe auf den Hof, parkte, nahm seine Reisetasche aus dem Kofferraum und ging hinein. Santa Barbara mußte bis zum nächsten Tag warten.
    Zimmer gab es natürlich reichlich, und die Dame mit dem rosa getönten Haar, die ihn am Empfang begrüßte, sprach wie Carl selbst ein Amerikanisch ohne jeden schwedischen Akzent. Er trug sich als Amerikaner ein.
    Sein Zimmer wirkte wohnlich und war in typisch amerikanischem Farmerstil eingerichtet; die Textilien changierten in hellblauen Nuancen, für amerikanische Verhältnisse waren sie ungewöhnlich geschmackvoll. Das einzig Schwedische im Raum war ein kleines blaues Dala-Pferd aus Holz, das auf dem Schreibtisch vor dem Fenster stand.
    Carl schaltete die brummende Klimaanlage aus, öffnete das Fenster, stützte beide Hände auf den Fensterrahmen und kramte in Kindheitserinnerungen. Blaue Dala-Pferde hatten etwas an sich, und ihm fiel ein Exemplar ein, das inmitten einer ganzen Schar von Pferden in der üblichen braunroten, leicht ins Orange changierenden Farbe gestanden hatte. Er hatte gequengelt, um es zu bekommen, gerade dieses Pferd, doch der Wunsch wurde ihm nicht erfüllt. Vermutlich war es auf irgendeiner Autofahrt mit der Familie in Schweden gewesen. In seiner Kindheit waren sie oft mit dem Wagen gereist.
    Er zog sich um, wählte Jeans und Flanellhemd, warf sich eine Wildlederjacke über die Schulter und ging zu dem Laden mit der Taucherflagge im Schaufenster hinunter: Frank Barry & Mike McGuire Scubaventures. Er legte seine Kreditkarte und sein kalifornisches Taucherzertifikat auf den Tresen und bat um Preßluftflaschen für zwei bis drei Stunden und eine komplette Ausrüstung für eine Tagesmiete. Es gab Schwierigkeiten.
    »Sir, Ihr Zertifikat ist vor zwei Monaten abgelaufen, und nach kalifornischem Gesetz müssen wir das nachprüfen, bevor wir etwas verleihen.
    Ich bedaure, aber Vorschrift ist Vorschrift«, sagte der kleinwüchsige, athletische Geschäftsführer, der eher McGuire als Barry zu heißen schien.
    »Ich bitte Sie, ich bin gerade aus Europa zurück. Ich tauche schon mein halbes Leben, und ein Monat mehr oder weniger auf einem Stück Papier, damit müssen wir es doch nicht so genau nehmen.«
    Der Vermieter zögerte. Es war Vorsaison, und hundert Dollar mehr oder weniger machten für ihn wohl einen größeren Unterschied aus als ein Monat mehr oder weniger auf einem Stück Papier.
    »Sir, Sie müssen verstehen… wir können unsere Lizenz verlieren. Sind Sie Profi oder so was?«
    »Ja, das kann man sagen. Ich bin Marineoffizier und

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