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Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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sich sichtlich wieder in die Gewalt zu bekommen versuchte und sich schnell über die Augen wischte.
    Der Botschafter setzte sich auf eins der beiden Betten und goß ein Glas Wodka ein, das er ohne ein Wort über den Nachttisch schob. Dann goß er sich selbst einen Whisky ein, hob das Glas und nickte. Sie tranken, ohne etwas zu sagen.
    »Sie wirken traurig, Herr Vizeadmiral, kann ich etwas für Sie tun?«
    Der kräftig gebaute grauhaarige Russe dachte eine Weile nach, bevor er antwortete. Es sah aus, als hätte er zwischen völlig verschiedenen Alternativen gewählt, bevor er sich entschloß zu reden.
    »Ja, ich bin ein sehr trauriger Mann, das stimmt. Kennen Sie denn keine Vaterlandsliebe, Herr Botschafter? Ich liebe mein Land und habe für meine Heimat gekämpft, seit ich als junger Kadett den Beginn des Großen Vaterländischen Krieges miterlebte. Verstehen Sie?«
    Sein Englisch hört sich an, als spräche er russisch, dachte der Botschafter.
    »Und doch haben Sie sich entschieden, Ihr Vaterland zu verlassen. Ich nehme also an, daß Sie Ihre Gründe haben«, sagte er, während er seinem Gast ein neues Glas Moskovskaja eingoß.
    »Ja, auch das ist wahr. Leider stimmt das ebenfalls, und es gibt sehr…
    wie sagt man, es gibt für einen Mann wie mich sehr häßliche Worte.«
    »Das hängt davon ab, von welcher Seite man es betrachtet.«
    »Wenn man es von der einen Seite sieht, der des Vaterlands, gibt es überhaupt kein Wenn und Aber. Dann gibt es nur eine Wahrheit.«
    »Für eine Umkehr ist es noch nicht zu spät. Wenn Sie es wünschen, kann ich Ihnen dabei helfen, äh, Kontakt mit Ihren Landsleuten aufzunehmen.«
    »Njet! Es ist zu spät. Es ist alles zu spät. Das ist wahr.«
    Der Russe starrte nachdenklich in sein Glas. Dem Botschafter fiel ein, daß er dem Russen vielleicht zuprosten sollte, und so hob er sein noch mehr als halbvolles Whiskyglas. Der Russe leerte sein Glas erneut in einem Zug.
    Diese Russen sind ja schlimmer als die Finnen. Sie sind einfach nicht fähig, ein halbvolles Glas stehen zu lassen, dachte der Botschafter. Und dann schwiegen beide erneut eine Weile.
    »Sie verstehen, Herr Botschafter, wenn ich in Ihrem Land bin, muß ich doch auf alle Fragen antworten. Auf alle Fragen, die Sie sich nur vorstellen können, und noch viele weitere, die Ihnen nie einfallen würden.«
    Der Russe schob ihm sein Glas hin, und Erland Rickfors füllte es erneut. Sich selbst bedachte er mit einem neuen Whisky.
    »Können Sie Ihre Gründe wenigstens andeuten, Herr Vizeadmiral? Morgen früh muß ich schließlich den Bericht zu Papier bringen, den wir mit unserem Kurier nach Hause schicken. Wenigstens etwas mehr als Ihren Namen, Ihren Dienstgrad und die Tatsache, daß Sie sich absetzen… daß Sie Schweden um politisches Asyl ersuchen?«
    »Es ist eine sehr komplizierte Geschichte. Sehr kompliziert…«, begann der Russe langsam. Dann hielt er inne und trank erneut aus seinem Glas, das er diesmal jedoch nur zur Hälfte leerte, bis er sich räusperte und zu erzählen begann.
    Der Botschafter saß still da und lauschte, ohne den Russen durch Fragen zu unterbrechen. Es hatte den Anschein, als quälte es sein Gegenüber sehr, sich zu äußern.
    Der Botschafter merkte sich im stillen einige Punkte, die er in seinem Bericht erwähnen mußte. Die Motive schienen hauptsächlich privater Natur zu sein.
    Vizeadmiral Gennadij Alexandrowitsch Koskow war Patriot. In dieser Hinsicht waren trotz der äußeren Umstände Zweifel kaum angebracht.
    Seine Familie jedoch war offenkundig weniger patriotisch. Der Bruder seiner Frau war als eine Art Dissident offenbar mit Verbannung bestraft worden. Bemerkenswert bei der Verwandtschaft mit einem Vizeadmiral, aber doch durchaus möglich. Seine Frau sei in diesem Punkt lange »hartnäckig« geblieben, wobei dem Botschafter unklar blieb, was er unter »hartnäckig« verstehen sollte.
    Sohn und Schwiegertochter des Russen waren gleichfalls »hartnäckig« geblieben, was mit einer gescheiterten Karriere zusammenhing. Vor allem die Schwiegertochter habe, so Koskow, lange von Emigration gesprochen, im Hinblick auf die Stellung der Familie sei das sowohl praktisch wie theoretisch aber unmöglich gewesen.
    Dann hatte die ganze Familie einen Winterurlaub an der Zlatni Piasatzi gebucht, dem Goldenen Strand in Bulgarien. Und es habe sich so ergeben, nun ja, nicht gerade ergeben, denn das habe seine Frau so arrangiert, daß die Familie etwa zu dem Zeitpunkt in Bulgarien war, als er, Koskow, mit dem

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