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Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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folgte ihr durch einen langen, mit Fliesen belegten Korridor zu einem riesengroßen Wohnzimmer mit einem tiefen, rosafarbenen Teppichboden aus flauschiger Wolle. Er betrachtete sie von hinten, als sie zu dem Barschrank aus schwarzer Eiche ging, dessen Inhalt ausgereicht hätte, ein ganzes Bataillon von Marinesoldaten zum letzten Ausgang vor der Schlacht mit Alkohol zu versorgen. Sie war ein wenig fülliger geworden. Mehr hatte sie sich jedoch nicht verändert; sie trug Jeans, eine weiße Hemdbluse, und das lange schwarze Haar hing ihr lose um die Schultern.
    Er sank in einen riesigen weißen Ledersessel, in dem er eher lag als saß. Sie kam wie gewohnt mit einem Jack Daniel’s ohne Eis auf ihn zu.
    »Nun sag mal«, sagte sie, als sie sich mehrere Meter entfernt in den zweiten Sessel setzte, »wie hat dich das Leben seither behandelt?«
    »Ich bin reich geworden, aber sonst nicht sehr gut. Und du? Bist du jetzt Anwältin?«
    »Hm.«
    »Eigene Kanzlei?«
    »Nein, ich… im Augenblick nicht. Burt, mein Mann also, wünscht, daß ich zu Hause bleibe und mich um Stan kümmere.«
    »Stan?«
    »Ja, unseren Sohn. Er wird morgen ein Jahr alt. Und du? Bist du verheiratet?«
    »Nein, ganz und gar nicht.«
    Das Gespräch erstarb. Sie versuchten, sich anzusehen und es gleichzeitig zu vermeiden, und sie kannten sich beide zu gut, um einander nicht zu durchschauen. Carl leckte sich nervös die Lippen und räusperte sich.
    »Nun ja. Es gibt ein paar Dinge, die ich dir nicht erzählt habe, und das bereue ich seitdem jeden Tag.«
    »Das solltest du auch.«
    »Ja, das sollte ich wirklich.«
    »Nun, worum geht es denn? Warst du insgeheim verheiratet oder verlobt?«
    »Nichts davon. Ich habe dir ja feierlich versprochen, daß es nicht so war.«
    »Nun?«
    »Nun ja… es war so. Während ich an der UCSD studierte, wurde ich gleichzeitig oben in der Mojave-Wüste von der US Navy ausgebildet, überwiegend oben in der Mojave, und zwar war das eine Ausbildung, die auch fünf Jahre dauerte. Mein Problem lag darin, daß ich mich durch Eid verpflichtet hatte, keinem Menschen, egal unter welchen Umständen, zu verraten, worum es ging, denn diese Ausbildung war streng geheim.«
    »Ist sie das nicht mehr?«
    »Doch.«
    »Aber?«
    »Aber, wie ich schon sagte, habe ich das so ungeheuer bereut, weil ich dich so verdammt liebte und dich immer noch so verdammt liebe und mich so verdammt dumm fühle, wenn ich hier sitze. Ich habe mir aber schon lange vorgenommen, dir alles zu erzählen. Also. Ich wurde im Nachrichtendienst meines Landes zum Offizier ausgebildet, ja, das ist so eine Art Austausch zwischen den USA und Schweden, könnte man sagen, und dieses Universitätsstudium war größtenteils ein reines cover, und ich war damals zu jung oder zu dumm oder zu naiv, um zu begreifen, daß das Schweigegebot für dich nicht gelten durfte. So war’s.«
    Er bremste sich, als ihm aufging, daß er sich fast schon hysterisch anhörte. Jetzt hatte er es immerhin herausgebracht, jetzt hatte er ihr die beiden Dinge gesagt, die er sich zu sagen geschworen hatte. Sie saß still da und rührte mit einem Kunststoffstäbchen in ihrem alkoholfreien Getränk herum. Sie verabscheute Alkohol, wegen ihres Vaters.
    »Du bist ein Idiot, Carl.«
    Sie sagte es so zärtlich, daß es etwas anderes bedeutete.
    »Ja, ich weiß«, erwiderte er und blickte eine Zeitlang zu Boden, bis sein Blick unerbittlich wieder zu ihr hingezogen wurde. Er suchte verzweifelt nach einer Möglichkeit, das Gespräch fortzusetzen, aber es kam ihm vor, als wäre sein Kopf nur noch mit einer Kunststoffmasse gefüllt, einer amerikanischen Kunststoffmasse, die alles verklebte.
    »Habt ihr denn keine Dienstboten, die sich um das Haus kümmern?«
    fragte er schließlich, nach dem langen Schweigen fast schon desperat.
    »Doch, natürlich. Aber keine mexikanischen, falls es das ist, was du wissen willst.«
    »Was ist aus deiner Arbeit für die illegalen Einwanderer geworden?« Im selben Moment bedauerte er die taktlose Frage. Sie hatte sich stark für diese Arbeit engagiert, sie hatte an der katholischen University of San Diego Jura studiert, um für die Rechte der Illegalen eintreten zu können. Sie war selbst zur Hälfte Mexikanerin. Jetzt wohnte sie in einer Millionärsvilla in mexikanisch-amerikanischem Stil, ausgerechnet in Santa Barbara, und war ausgerechnet Hausfrau. Sie zögerte mit der Antwort.
    »Nein«, sagte sie schließlich, »mit der Arbeit ist es seit einiger Zeit nicht weit her.«
    »Du scheinst

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