Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
schimpfen begann.
    »Was beabsichtigen Sie damit eigentlich?« fauchte sie und knallte ein paar entsetzliche Zeitungsausschnitte vor Rune Jansson auf den Tisch. Die Schlagzeilen sprachen ihre düstere und doch deutliche Sprache von Werwölfen und Huren.
    »Maria war wahrhaftig keine Prostituierte. Wissen Sie überhaupt, was für ein Gehalt sie bei uns hatte? Wissen Sie überhaupt etwas über sie?«
    »Nun ja«, erwiderte Rune Jansson ausweichend, »bis auf weiteres stehen wir erst am Anfang einer sehr schwierigen Ermittlung. Übrigens sind wir für dieses Zeug nicht verantwortlich.«
    »Aber hier steht’s doch! ›Nach Angaben der Polizei ist der Mörder so etwas wie ein Werwolf oder Jack the Ripper‹, weiter: ›Möglicherweise ist die polnische Prostituierte einem Sexualverbrechen zum Opfer gefallen, was immer wieder gerade Prostituierte trifft‹, und so weiter. Warum um Himmels willen erfindet ihr so etwas? Daß die Skandalpresse Futter haben will, das verstehe ich schon, aber warum müßt ausgerechnet ihr…«
    »Nun, was hatte sie denn für ein Monatsgehalt?« unterbrach Rune Jansson kalt.
    »28 500 Kronen im Monat. Sie gehörte zu den qualifiziertesten Leuten des Unternehmens.«
    »Das ist eine sehr interessante Auskunft. Sie haben sie also gekannt? Haben Sie sich mit ihr getroffen?«
    »Müssen Sie jetzt auch mich verhören?«
    »Ja, wenn Sie nichts dagegen haben.«
    »Dann werde ich in der Presse also auch bald als Prostituierte durch den Dreck gezogen?«
    »Nein, auf keinen Fall, das kann ich Ihnen versichern. Wir arbeiten nicht so.«
    »Das sehe ich. Man sieht es ja schon von weitem hier in den Zeitungen.«
    »Nein, was in den Zeitungen zu sehen ist, ist nur, daß die Journalisten keine Ahnung von dem haben, was sie schreiben.«
    »Aber hier steht doch dauernd, nach Angaben der Polizei oder nach Auskunft der Polizei.«
    »Das schreiben die immer. Obwohl ich allerdings nicht ausschließen kann, daß irgendeiner von der normalen Polizei geplappert hat. Derlei kommt vor, und es ist immer wieder gleich bedauerlich.«
    »Aber Sie gehen nicht an die Öffentlichkeit, um dies zu dementieren?«
    »Doch, natürlich. Sobald wir genug wissen, werden wir der Presse ein paar Knochen hinwerfen. Doch kehren wir zu Ihren eventuellen Hinweisen zurück. Haben Sie jetzt Zeit?«
    »Ja, wenn’s denn sein muß.«
    »Gut. Haben Sie etwas dagegen, daß ich ein Tonbandgerät mitlaufen lasse?«
    »Ist das unbedingt notwendig?«
    »Ja, sonst muß ich mir Notizen machen, und das kann zu Fehlern führen. Sie verstehen, wir werden eine Zeitlang ziemlich viele Vernehmungen haben.«
    »Also gut, lassen Sie ein Tonband mitlaufen, wenn Sie wollen. Aber da ist noch etwas.«
    »Ja?«
    »Ich weiß ja nicht, ob es von Bedeutung ist… vielleicht ist es unwichtig.«
    »Nämlich?«
    »Ja, als Maria zum letztenmal bei mir war, hat sie ein kleines Notizbuch mit Telefonnummern vergessen. Sie hatte nicht allzu viele Freunde, und ich will ja hier keine Gerüchte in die Welt setzen, ich meine, ich bin ziemlich sicher, daß keiner ihrer Freunde mit dieser Sache zu tun hat, aber ich habe mir gedacht…«
    »Da haben Sie völlig richtig gedacht. Haben Sie das Notizbuch bei sich?«
    »Ja, hier in der Handtasche.«
    »Kann ich es haben, bitte?«
    »Bekomme ich auch eine Quittung?«
    »Aber ja, das läßt sich machen.«
    Sie zog das Notizbuch aus der Tasche und legte es vor Rune Jansson, der in der linken Wade plötzlich keinerlei Schmerzen mehr spürte, auf den Schreibtisch. Es war ein schmales kleines Buch aus rotem Kunstleder mit einem alphabetischen Register. Es enthielt rund vierzig Namen mit Telefonnummern und einige weitere Telefonnummern ohne Namen.
    Carls Tag hatte langsam und quälend begonnen. Er duschte lange und kalt vor Skip Harriers Hütte; er hielt die Handdusche auf den schmerzenden Hinterkopf gerichtet und blickte starr auf den feinen roten Sand, in dem zwischen den Füßen das Wasser versickerte. Zum erstenmal in seinem Leben hatte er ernsthaft sein Altern erlebt; noch vor zehn Jahren waren gewisse abendliche Übungen mit Skip noch heftiger ausgefallen, ohne daß er deswegen so etwas wie körperlichen Verfall gespürt hätte. Er hatte ohne jeden Zweifel zum erstenmal in seinem Leben einen gewaltigen Kater.
    Mit den Übungen dieses Vormittags hatte er jedoch Glück. Es stand nichts auf dem Programm, woran er selbst teilnehmen sollte.
    Skip brachte ihn in die Kleiderkammer, in der er seine privaten Kleidungsstücke gegen eine Felduniform

Weitere Kostenlose Bücher