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Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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noch nicht trocken hinter den Ohren seid. Zu der Zeit, als unser geschätzter Lieutenant Commander hier studierte, war er aber auch nur Mittelmaß. Oder was glaubt ihr wohl?« sagte Skip ernst, um dann in ein brüllendes Lachen auszubrechen. Die beiden Schweden lächelten zögernd. Carls Schießkünste hatten sie beeindruckt, wie nicht anders zu erwarten war. Allerdings wußten sie nicht, daß das Schießen Carls beste Disziplin überhaupt war und er überdies seine bevorzugten Waffen hatte benutzen können.
    Sie verstauten die Waffen in der Waffenkammer und gingen in die Sauna. Carls Rippen schmerzten immer noch, er fühlte sich total zerschlagen.
    Skip begann eine Geschichte zu erzählen, bei der Carl nicht zuhörte, da er sie schon auswendig kannte. Er setzte sich eine Weile mit auf die Knie gesenktem Kopf hin und versuchte, den Schmerz in der Seite nicht wahrzunehmen. So hart wie von diesem Stålhandske war er noch nie getroffen worden, und dabei hatte er den Treffer sogar zu parieren versucht.
    Ihm war klar, daß er mit Skip darüber reden mußte. Es konnte nicht der Sinn der Ausbildung sein, daß Stålhandske bei den Übungen jemanden verletzte.
    Carl erhob sich, streckte die Arme ein paarmal über den Kopf, dann rückwärts, hielt jedoch mitten in der Bewegung inne, als er die Blicke der anderen sah. Alle drei starrten das gleiche an.
    Carl hatte fünf tiefe lange Narben auf dem Brustkorb. Die Verletzungen waren etwa anderthalb Jahre alt, doch hier und da waren die Narben immer noch rosa.
    »Was ist das denn? Hast du versucht, ein Drachenweibchen zu vergewaltigen?« lachte Skip und machte ein paar Dosen Bier auf.
    »Folter. Und es war keine Übung. Ich wiederhole, es war keine Übung«, erwiderte Carl in einem kalten Tonfall, der die scherzhafte Formulierung Lügen strafte.
    »Wie nett, und ein paar Schüsse hast du auch noch abgekriegt«, fuhr Skip fort, während er den Blick vom Einschußloch unter Carls linker Schulter zum Einschußloch auf dem rechten Oberschenkel gleiten ließ.
    »Ja«, sagte Carl, »es war dieselbe Veranstaltung. Eine verdammt gelungene Party.«
    »Und wie sahen die anderen Burschen hinterher aus?« fragte Skip ihn herausfordernd.
    »Einige starben, und einige überlebten, aber wie du weißt, darf ich solche Geschichten nicht erzählen«, erwiderte Carl übellaunig.
    »Ja, es ist zum Kotzen«, seufzte Skip Harrier mit gespieltem Kummer, »hier tut man sein Bestes, um Menschen aus euch zu machen und euch das Siegen beizubringen, und dann geht ihr aufs Feld und laßt zu, daß alles in die Hose geht. Und ich rackere mich ab. Daß ihr euch nicht schämt.«
    Die beiden schwedischen Sergeants betrachteten Carl mit aufgerissenen Augen. Er hätte viel darum gegeben zu erfahren, was sich in diesem Moment in ihren Köpfen tat.
    Eins war jedoch völlig klar: Daß er ein Landsmann war, kam ihnen nicht eine Sekunde in den Sinn.
    Am Lidingövägen in Stockholm lag das große Klinkergebäude des Generalstabs bis auf zwei Fenster völlig im Dunkeln. Unten in der Hauptwache saßen zwei einsame ABAB-Wachen und spielten Schach. Hoch oben im sechsten Stock brannte im östlichen Eckzimmer Licht. Der einsame Mann dort, der jetzt die einundfünfzigste Zigarette des Tages rauchte - Ultima Blend, um das Gesundheitsrisiko zu minimieren -, war dem Dienstrang nach Kapitän zur See. Die Abkürzung auf dem rostfreien kleinen Metallschild neben der Tür seines Vorzimmers ließ erkennen, daß er eine der Schlüsselfiguren der schwedischen Staatsmaschinerie war.
    C OP 5 hieß es über seinem Namen. Samuel Ulfsson war also Chef der Operationsabteilung 5, was der Sammelbegriff für sämtliche Abteilungen des militärischen Sicherheits und Nachrichtendienstes in Schweden ist.
    Vor ihm auf dem blankpolierten, dunkelgebeizten Tisch aus Buche lagen fünf pedantisch geordnete Papierstapel. Es waren das russische Original und die vollständige Übersetzung, dazu die bislang bekannten Personendaten über einen bestimmten Vizeadmiral der sowjetischen Marine, eine Analyse der möglicherweise aus offen zugänglichen Quellen stammenden Angaben (dies war der schmalste Bericht), sowie eine entsprechende Analyse der Angaben, die als geheim einzustufen waren.
    Samuel Ulfsson hörte Schritte auf dem Flur und ging davon aus, daß die letzte Analyse zu ihm unterwegs war. Er nahm an, daß sie das bereits gewonnene Bild nicht verändern, sondern höchstens verstärken würde. Ulfsson hatte schon versucht, den Generalstabschef anzurufen. Der

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