Im Interesse der Nation
handelt sich also um echte Ware. Doch geht es in diesen Kostproben so gut wie ausschließlich um ihr Wissen über uns. Der sowjetische Kollege, wenn man so sagen darf, hat nämlich zu verstehen gegeben, daß er seine wirklich interessanten Kenntnisse erst dann preisgibt, wenn er sich auf schwedischem Territorium befindet. In Hinblick auf seine Stellung in der sowjetischen Marine dürften diese Kenntnisse für die schwedische Verteidigung ohne jeden Zweifel von allergrößter Bedeutung sein. Wir haben es hier ganz einfach mit einem Überläufer von einem Kaliber zu tun, wie es selbst die Amerikaner noch nie erlebt haben.
Man kann die Bedeutung dieses Falls also gar nicht hoch genug einschätzen. Es liegt also ganz entschieden im Interesse der Nation, am Ball zu bleiben.«
Der Chef der Marine hatte seine Pfeife hervorgekramt und sie während des Vortrags angezündet. Obwohl die beiden Männer allein waren und zwei Türen zu dem leeren Korridor draußen offenstanden, war der Raum schon ziemlich verräuchert.
»Was verlangt er noch?« wollte der Marinechef wissen.
»Wenn wir es schaffen, ihn nach Schweden zu bringen, bekommen wir sein Wissen. In Kairo kommt es nicht zum Geschäft. Er will für einige Zeit in Schweden Schutz haben, in der Zeit, die für seine Vernehmung nötig ist, einen gewissen finanziellen Ausgleich, über den er sich noch nicht näher ausgelassen hat, und anschließend sollen wir ihn den Amerikanern übergeben.«
»Klingt vernünftig.«
»Ja, durchaus. Ich frage mich allerdings, warum er nicht gleich zu den Amis übergelaufen ist.«
»Irgendwelche Vermutungen?«
»Nein.«
»Will er mehr Geld verdienen?«
»Vermutlich nicht. Entschuldige bitte, aber ich glaube nicht, daß ein Vizeadmiral so dumm ist. Wenn er sich zunächst an uns verkauft, wird der Preis in den USA geringer.«
»Kann es ein falscher Überläufer sein, so etwas wie eine Falle?«
»Ja, natürlich. Dagegen spricht allerdings eine ganze Menge.«
»Was denn?«
»Die Qualität der Kostprobe. Obwohl man natürlich nie sicher sein kann.«
»Könnt ihr es schaffen, den Burschen hierher zu bekommen?«
»Wenn es sich diskret machen läßt, ja. Das heißt, wenn es nicht herauskommt, daß er bei uns in Kairo sitzt. Wenn das durchsickert, gibt es wohl ziemliche Aufregung. Doch sonst stehen uns mehrere Möglichkeiten zu Gebote.«
»Habt ihr schon mit der Vorbereitung dieser Operation begonnen?«
»Nein, weil die Entscheidung darüber nicht auf unserer Ebene getroffen werden kann.«
»Wenn ihr nun grünes Licht bekommt - denn du gehst wohl davon aus, daß wir die Regierung verständigen müssen -, also ich meine, wenn wir grünes Licht bekommen - wann könnt ihr ihn hier haben?«
»Kommt ganz darauf an. Ein denkbarer Weg wäre, eine schwedische Reederei ins Vertrauen zu ziehen und ihn in Suez an Bord gehen zu lassen. In dem Fall dauert es zehn Tage, mindestens. Im übrigen scheint die Regierung schon beteiligt zu sein.«
»Inwiefern?«
»Dieser Botschafter wird sicher schon das Außenministerium und so weiter verständigt haben.«
»Aber die haben keine Vorstellung von der Größenordnung dieser Angelegenheit?«
»Nein. Aber sie wollen wohl schon morgen Bescheid haben. Ich glaube nicht, daß ihnen die Situation gefällt. Um mich mal vorsichtig auszudrücken.«
Das war ein vorsichtiger Hinweis darauf, daß den Politikern nicht zu trauen war. Ein neuer Fall Gåsefjärden war durchaus denkbar. Vielleicht hatte der Russe mit seinen Positionsangaben gerade darauf hinweisen wollen.
Nein, das war wohl zu weit hergeholt. Aber trotzdem war den Politikern einerseits nicht zu trauen, andererseits wußten sie noch nichts von der Dimension des Falls.
Vermutlich wollten die Politiker nicht allzu viele traurige Erkenntnisse über die benachbarte Supermacht gewinnen. Die würden sie nur zum Handeln zwingen, und das in einer Lage, in der sie nur Kritik auf sich ziehen konnten, wie immer sie agierten.
Doch jetzt hatte der Chef des Nachrichtendienstes seinem Vorgesetzten den Schwarzen Peter zugeschoben. Jetzt lag es am Chef der Marine oder dem Oberbefehlshaber, zur Regierung zu gehen und die Sache vorzutragen.
Die Alternative in rein technischer Hinsicht bestand darin, daß die militärische Führung den Nachrichtendienst anwies, den Mann nach Schweden zu verfrachten, bevor die Regierung Zeit hatte, eine Entscheidung zu treffen. Doch das war nur eine rein technische Möglichkeit. Die Politiker wußten ja schon, daß etwas im Busch war.
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