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Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Oberbefehlshaber war jedoch wegen irgendeiner Familienangelegenheit an diesem Abend nicht erreichbar.
    Ulfsson nahm den Umschlag entgegen und schickte seinen Untergebenen dann nach Hause. In dieser letzten Analyse ging es um die Erklärung einer Reihe sehr exakter Positionsangaben. In einer Passage von Koskows Brief hatte es lakonisch geheißen:
    56° 02,25’ N, 15° 43,20’ O 56° 05,10’ N, 15° 43,80’ O 56° 04,30’ N, 15° 44,60’ O 56° 03,90’ N, 15° 43,70’ O 56° 03,33’ N, 15° 43,55’ O 56° 03,60’ N, 15° 42,80’ O 56° 03,85’ N, 15° 43,20’ O Die Antwort auf dieses Spiel mit Zahlen ließ für Zweifel keinerlei Raum mehr: Sämtliche Positionsangaben betrafen den Gåsefjärden in den Schären von Karlskrona. Die Orte hießen der Reihe nach: Bökeskärs Südspitze, Malkvarns Nordspitze, Hästholmens Südspitze, Flaggskärs Nordwestspitze, Hanskarnas stång, Danaflöts Südspitze und Bökeskärs Nordspitze.
    Unten im Marinestab hatte man keinerlei Mühe gehabt, die Ortsangaben der genannten Positionen zu finden, da sie in den Verzeichnissen der Verteidigungsanlagen standen. In sämtlichen Fällen ging es um U-Boot-Bekämpfung, um feste Sprengladungen, Magnetschleifen und Abhöreinrichtungen. Die Angaben waren ausnahmslos streng geheim.
    Jede Positionsangabe war vollkommen exakt. Es schien unmöglich zu sein, diese Angaben aus offen zugänglichen Quellen zu erhalten.
    Samuel Ulfsson zündete sich eine weitere Ultima Blend an.
    Allein schon das Wort Gåsefjärden hatte auf jeden schwedischen Nachrichtenoffizier einen fast elektrisierenden Effekt. Dort war vor Jahren ein sowjetisches U-Boot der Whisky-Klasse, U 137, aus unklaren Gründen auf Grund gelaufen. (Ulfsson sah die damaligen Schlagzeilen wieder vor sich: »Whisky on the rocks.«) Manövrierfehler waren damals eine Theorie gewesen. Hilfeleistung für spionierende Mini-U-Bootverbände, die in Bedrängnis geraten waren, war eine andere Theorie, und zwischen diesen beiden Extremen hatte es damals noch zahllose weitere Denkmodelle gegeben.
    Dabei hätte man damals die Möglichkeit gehabt, sich sichere Erkenntnisse zu verschaffen. Man hätte die Besatzung des U-Boots nur zu internieren brauchen, um das U-Boot dann zu untersuchen. Die Sowjetunion hätte nicht viel dagegen ausrichten können, und im übrigen war es wenig wahrscheinlich, daß ein schwedisches U-Boot in der gleichen Lage auf sowjetischem Territorium anders behandelt worden wäre. Doch die Politiker der damaligen Regierung, die zu allem Überfluß auch noch bürgerlich gewesen war, hatte nach den allgemeinen sowjetischen Drohungen klein beigegeben. Damit hatte das U-Boot ohne Untersuchung nach Hause fahren können. Folglich wußte man nichts.
    Was die Russen jedoch auf keinen Fall haben durften, war dieses auf den Meter exakte Verzeichnis schwedischer Verteidigungsanlagen unter Wasser.
    Vor Samuel Ulfssons Schreibtisch stand über Eck ein Konferenztisch aus der gleichen braun gebeizten Buche. Davor vier Sitzplätze: Holzstühle in passender Buche mit einem Bezug aus hellem, grobem Stoff. Sehr schwedisch und sehr zurückhaltend elegant, ohne protzig zu wirken.
    In der geraden Verlängerung des Konferenztischs, an der Wand gegenüber dem Arbeitsplatz des Kapitäns zur See, hing eine Europakarte, die einen schmalen Streifen Nordafrikas und Teile des Nahen Ostens einschloß. Im Osten reichte die Karte etwa bis zum Ural. Die Karte vermittelte ein Bild von der maximalen Ausdehnung des Operations und Interessengebiets des schwedischen Nachrichtendienstes.
    Ganz unten in der rechten Ecke der Karte lag Kairo. Dort saß offenbar die Antwort auf eine große Zahl einzigartig interessanter Fragen, nämlich bei einem nach Aktenlage ziemlich versoffenen Diplomaten, der offenkundig keine Ahnung davon hatte, daß er in seiner Botschaft einen Gast von fast unschätzbarer Bedeutung beherbergte.
    Samuel Ulfsson drückte seine Zigarette aus und entleerte den überquellenden Aschenbecher in den leeren Papierkorb, dessen Inhalt schon vor etlichen Stunden in den Reißwolf gewandert war, und fegte die restliche Asche mit der Hand von der Schreibtischplatte. Er bemerkte, daß er ganz gegen seine Gewohnheit leichten Handschweiß hatte, und durch die offene Tür des Vorzimmers hörte er, daß der Fahrstuhl auf dem Weg nach oben war. Es war zuvor nur einmal vorgekommen, daß er mitten in der Nacht einen der höchsten Militärs gebeten hatte zu kommen. Damals war es um die Frage gegangen, ob Schweden eine

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