Im Interesse der Nation
Teilmobilisierung anordnen solle, da ein Manöver der Warschauer-Pakt-Staaten äußerst seltsame Schlußfolgerungen erlaubt hatte. Man war zu dem Schluß gekommen, sozusagen auf gut Glück nicht zu mobilisieren. Was sich im nachhinein als richtig erwiesen hatte.
»Aha, du willst also wieder mobilisieren, Sam«, grüßte der Vizeadmiral mit gespielter Munterkeit, als er den Raum betrat. Er trug aus einem unerfindlichen Grund Uniform.
Samuel Ulfsson zögerte einen Augenblick. Normalerweise war er in diesem Raum der Vorgesetzte, daher die Plazierung der Konferenzstühle. Doch den Chef der Marine konnte er nicht auf einen der Vortragsstühle setzen.
Ulfssons Rettung waren die beiden zusätzlichen Stühle, die an der rechten Längswand standen, mit einem Tisch dazwischen und der Reproduktion eines Gemäldes darüber. Das Bild stellte die Zwangsanwerbung eines Bauern zur Armee zu Anfang des 19. Jahrhunderts dar; der Bauernknecht sah zögernd aus, der Feldwebel hingegen sehr entschlossen. Der Knecht trug Holzschuhe, der Feldwebel einen Karolinerhut und Degen.
»Setz dich doch. Ja, es war wichtig genug, um dich zu stören«, begrüßte Samuel Ulfsson seinen Vorgesetzten und zeigte auf einen der beiden Stühle unter dem Bild. Dann nahm er seine Zigarettenschachtel, einen Aschenbecher und sein Feuerzeug in die Hand und ließ sich dem uniformierten Vizeadmiral gegenüber nieder.
»Es geht um einen Überläufer, doch um keinen x-beliebigen. Das größte Ding, das wir je erlebt haben, aber mit etlichen Komplikationen«, begann er, während er unbeholfen eine neue Zigarette aus der Schachtel zog. Er bot seinem Gegenüber keine an, denn er wußte, daß der Marinechef wie so viele andere Marineoffiziere - unabhängig davon, ob sie sich das auf der Kommandobrücke angewöhnt hatten oder nicht - Pfeife rauchte.
»Es ist also ernst. Na, dann setz mich mal in groben Zügen ins Bild«, befahl der Vizeadmiral. Als der Chef von OP 5 sich erst einmal eine Zigarette anzündete und folglich stumm blieb, wurde er ungeduldig und verlieh seinem Befehl Nachdruck.
»Nun? Um wen geht es, was weiß er, und wo befindet er sich?«
»Es ist gewissermaßen ein Kollege von dir. Vizeadmiral Gennadij Alexandrowitsch Koskow, Stellvertretender Wehrbereichs-Kommandeur, oder wie wir das übersetzen sollen, in Kaliningrad. Er ist Chef der gesamten Nachrichten und Diversionstätigkeit im Ostseeraum, mit Mini-U- Booten und allem, was dazugehört. Er befindet sich in der schwedischen Botschaft in Kairo. Er ist zu uns übergelaufen. Er will uns sein Wissen gegen die Erfüllung einer Reihe von Forderungen überlassen.«
»Teufel auch!«
»Ja, das kann man wirklich sagen.«
»Habt ihr die Identität des Mannes festgestellt?«
»Nein, aber die Kostproben der Ware, die er uns geliefert hat, sind…
sagen wir, sehr imposant.«
»Echte Ware?« - »Ja, echte Ware. Kein Zweifel.« - »Warum zum Teufel will er denn ausgerechnet zu uns? Warum richtet er sich nicht an die gewohnte Adresse?«
»Keine Ahnung.«
»Wie viele Personen wissen von dieser Sache?«
»Unser Botschafter in Kairo und somit eine unbekannte Zahl von Personen in der dortigen Botschaft. Das Außenministerium, auch dort eine unbekannte Zahl von Personen. Ich selbst, zwei Übersetzer, vier oder fünf der Jungs in unserer Abteilung, die verschiedene Teile seiner schriftlichen Kostprobe analysiert haben. Die wiederum wissen aber nicht, um wen oder was es geht.«
»Kurz gesagt, wie viele Personen haben ein Gesamtbild von der Sache?«
»Ich selbst und demnächst auch du. Dann wissen noch etwa zehn Personen davon, daß ein Russe übergelaufen ist. Ungefähr so.«
»In Ordnung. Leg los!«
Dies war der Befehl, die Lage inhaltlich in einer längeren Analyse zusammenfassend darzustellen.
Samuel Ulfsson atmete durch. »Jemand, der sich zu Recht oder zu Unrecht als Gennadij Alexandrowitsch Koskow ausgibt, als hohes Tier der Marine in Kaliningrad, das es tatsächlich gibt - davon haben wir uns überzeugt -, befindet sich zur Zeit in der schwedischen Botschaft in Kairo. Der Betreffende ist de facto übergelaufen. Denn allein schon das Material, das er uns in einem versiegelten Brief mit Diplomatenpost übermittelt hat, läßt klar erkennen, daß er seinem Land gegenüber ein Verbrechen begangen hat. Sein Brief enthält 416 sachliche Angaben von unterschiedlicher Bedeutung zu mehreren Sachgebieten. Die heutige Analyse hat ergeben, daß etwa 350 bis 360 Angaben von uns verifiziert worden sind. Es
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