Im Interesse der Nation
man dem Gegner den Lauf in den Bauch drükken konnte.
Nein, es war absurd. Carl gelang es nicht, seinen Waffenfetischismus zu verdrängen. Er hatte nicht genügend Zeit gehabt, die beiden Offiziersanwärter zu beurteilen. Er durfte nicht jetzt schon in Erwartungen und möglichen Wahnvorstellungen hängenbleiben. Das hatte Zeit.
Er versuchte, eine Weile mit leerem Kopf zu fahren, drehte die Countrymusik aus dem Radio auf volle Lautstärke und gab sich seinem gewohnten Spiel hin, sich vorzustellen, was die Kakteen in der Wüste wohl darstellten. Es ging jedoch schlecht. Überdies kannte er die meisten auffälligen Kakteen am Straßenrand noch von früher. Seine Gedanken liefen Gefahr, dorthin zu enteilen, wo er sie nicht haben wollte.
Er drehte eine Weile am Senderknopf herum, um den einzigen Klassiksender der Region zu finden, jedoch ohne Erfolg.
Er kehrte wieder zur Countrymusik zurück. Er schaltete die Klimaanlage aus und kurbelte die Seitenscheiben herunter. Der Wind, der ins Wageninnere strömte, war für die Jahreszeit trocken und kühl.
Er sah den Wagen am Straßenrand schon aus mehreren Meilen Entfernung, und als er näher kam, zwei schwarze Männer, die an der hochgeklappten Motorhaube standen; ein in den USA nicht seltener Anblick. Amerikanische Wagen versagen schon bei der kleinsten Störung den Dienst, und meist dann, wenn man es am wenigsten gebrauchen kann. Kein vernünftiger Mensch hält jedoch an, wenn er draußen in der Wüste zwei Schwarze entdeckt, die neben einem Wagen mit hochgeklappter Motorhaube stehen. Entweder handelt es sich um eine Falle, oder man begibt sich aus Dummheit selbst erst in Gefahr, wenn man allein und unbewaffnet ist und anhält.
Carl hielt fünfundzwanzig Meter hinter den beiden Männern. Es dauerte eine Weile, bis sie begriffen, was sich da ereignet hatte. Sie gingen langsam und sehr zögernd auf ihn zu. Was natürlich gespielt sein konnte.
Zunächst verstand er selbst nicht, warum er angehalten hatte. Dann schnallte er den Sicherheitsgurt an, zog seine Imitation eines Schweizer Armeemessers aus der Tasche und klappte die kleine Klinge auf, die von einer weichen Kunststoffhülle umgeben war, damit die Schneide nicht beschädigt wurde. Die Klinge war zwar nur sechseinhalb Zentimeter lang, bestand aber aus japanischem Molybdänstahl und war so scharf wie ein Skalpell.
Carl steckte das Messer mit aufgeklappter Klinge in die Brusttasche.
Die beiden Männer blieben in fünf Meter Entfernung stehen. Carl stellte das Radio ab und kurbelte auf seiner Seite die Seitenscheibe halb nach oben.
»Habt ihr ein Problem, Jungs?«
»Diese Scheißkarre macht es nicht mehr«, erwiderte der längere der beiden.
»Ich soll euch also mitnehmen?« rief Carl.
»Ja, könnte man sagen«, rief der Längere zurück.
»Wohin wollt ihr?«
»San Bernardino, Sir!«
»Und woher soll ich wissen, daß ihr mich nicht ausrauben wollt?«
»Ich fürchte, das kann ich Ihnen nicht sagen, Sir. Aber wir sind unbewaffnet!«
»Okay. Klingt vernünftig genug. Holt eure Sachen, falls ihr welche habt, und zeigt sie mir, bevor ihr näherkommt!«
Die beiden berieten kurz. Dann ging einer von ihnen zu dem verrosteten Chevy Nova zurück, zog eine Reisetasche aus dem Kofferraum und trottete dann zum Ausgangspunkt zurück. Er hielt die Reisetasche hoch, die überwiegend schmutzige Wäsche zu enthalten schien. Der andere Schwarze hatte ein schmutziges T-Shirt, und die Jeans saßen bis zu den Knöcheln hauteng. Der Mann, der die Reisetasche geholt hatte, trug eine dünne Seidenjacke in Lila und Grün.
»Okay, du da mit der Jacke! Zieh sie aus und dreh dich um! Und du auch, du da im T-Shirt, dreh du dich auch um!«
Sie gehorchten zögernd.
»Ist in Ordnung, Jungs, ihr scheint sauber zu sein. Ihr wollt nach San Bernardino? Ich fahre dort vorbei!«
»Well, Sir, da ist noch ein kleines Problem, wenn Sie entschuldigen!« Noch immer führte der hochgewachsene Mann im T-Shirt das Wort.
»Nämlich welches?« rief Carl zurück.
»Woher sollen wir wissen, daß Sie nicht bewaffnet sind?«
»Sei nicht albern, Kleiner! Okay, ihr wißt es nicht, aber ihr seht nicht gerade aus, als könnte man sich bei euch mit einem Überfall den Jackpot holen!«
»Da haben Sie nicht ganz unrecht, Sir!«
»Na ja, dann rein mit euch!« Während die beiden Schwarzen langsam näherkamen, ging Carl im Kopf noch schnell die Möglichkeiten durch. Jeder von ihnen konnte irgendwo ein Messer versteckt haben. Wahrscheinlich der, der sich auf
Weitere Kostenlose Bücher