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Im Jahre Ragnarök

Titel: Im Jahre Ragnarök Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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eine Reihe von Schaltern. Er konnte das Gerät unmöglich innerhalb von Sekunden neu ausrichten, um den englischen Agenten in die Zelle zurückzubringen.
Das ließ ihm nur eine Möglichkeit, selbst wenn er die Nebeneffekte nicht abzuschätzen vermochte.
Kurz entschlossen drückte er den gelben Knopf, und mit einem Knacken erstrahlte das bläuliche Leuchten zwischen den Spulen.
     

2. April 1603 v. Chr.
    Endlich war das blaue Lichtfeld erschienen. Pallasch wankte auf das Portal zu. Er hatte kaum noch die Kraft, sich zu bewegen, er spürte, wie sein Körper von Kälte verzehrt wurde, immer schneller und schneller. Jegliches Gefühl wich aus seinen Gliedern, sein Bewusstsein verdunkelte sich.
In dem Augenblick, als er in das Zeitportal stolperte und vom Licht umfangen wurde, starb er.
     

Anderswo, 22:00 Uhr
    Sämtliche Blutgefäße seines Gehirns schienen Tubber zu platzen, als er aus dem Portal taumelte. Doch die Schmerzen, so schlimm sie auch waren, wurden mit einem Schlag vom Schrecken verdrängt. Zu seinen Füßen sah er im Schein des Portals Otto Pallasch liegen, den Körper seltsam verdreht, als wäre er gestürzt.
Das nach oben gerichtete, ausdruckslos erstarrte Gesicht wirkte unter dem blauen Leuchten geisterhaft und irreal.
Das Portal schloss sich, das Licht verschwand und ließ Tubber mit der Leiche in tiefschwarzer Finsternis zurück. Kaum mehr als eine Sekunde hatte er den Toten gesehen, doch das Bild stand ihm als grässlich exakte Momentaufnahme vor dem inneren Auge.
Ein schneidend kalter Wind umheulte ihn, durchdrang seine Kleidung und begann, die Wärme aus seinem Körper zu ziehen. Er ahnte, wo er sich befand. Vorsichtig ging er in die Hocke und betastete den Boden. Es war eisiger Fels, der noch in Armeslänge steil in eine unergründliche Tiefe abfiel.
Seine Ahnung bestätigte sich. Er befand sich auf dem Gipfel des Hohlesteins.
Und er begriff, was er schon lange unterschwellig vermutet hatte, ohne es sich eingestehen zu können, da der Gedanke zu grotesk, zu beängstigend gewesen wäre:
Otto Pallasch war zugleich lebendig und tot gewesen. Er hatte zwei Wochen lang gelebt, ohne zu wissen, dass er bereits in der Vergangenheit verstorben war und diesem Schicksal unumstößlich entgegenging.
Tubber zitterte, und es lag nicht nur an der beißenden Kälte.
Er schätzte sich glücklich, an diesem grauenvollen Ort, der zu den fürchterlichsten Gedankengängen Anlass gab, höchstens einige Minuten bleiben zu müssen. So lange, bis Ecke ihn wieder zurückholte. Oder vielleicht länger? Dass Pallasch tot hier lag, musste nicht unbedingt bedeuten, dass etwas schiefgegangen war; vielleicht steckte dahinter sogar Absicht. Was also, wenn der Doktor ihn nicht wieder in die Gegenwart bringen konnte oder wollte?
Tubber tastete abermals nach der Kante des Felsens. In völliger Dunkelheit dort hinunterzuklettern käme einem Selbstmord gleich. Die Füße konnten die unsichtbaren schmalen Vorsprünge in der senkrecht abfallenden Felswand nur verfehlen,
ein Absturz wäre unausweichlich. Daneben nahm es sich wie ein unwesentliches Ärgernis aus, dass die Hände beim Versuch Halt zu finden zwangsläufig am Basaltgestein festfrieren würden.
Der Ernst der Lage war Tubber bewusst. Falls sich kein Zeitportal öffnete, saß er bis zum Sonnenaufgang auf dem Berggipfel fest. Und da ihm jeglicher Anhaltspunkt für die Uhrzeit fehlte, konnte das eine Wartezeit von mehreren Stunden bedeuten.
Er zog den Kopf tief in den hochgeschlagenen Mantelkragen, verschränkte die Arme und starrte wartend ins Dunkel.
     

Königstein
    Nur Sekunden, nachdem Tubber das Zeitportal durchschritten hatte, kam Sperber die Treppe hinab, und er schien ausnehmend guter Stimmung zu sein.
»Ich bin bereit«, verkündete er Ecke, der neben dem blauen Lichtfeld an den Kontrollvorrichtungen stand und sich bemühte, eine unverdächtige Miene zur Schau zu tragen. »Wo ist Otto?«
»In unserem Bilderdepot, 3600 Jahre zurück«, antwortete der Doktor und wies dabei auf das Zeitportal.
Sperber stellte sich unmittelbar vor Ecke. Sein Lächeln gefror, und seine Pupillen verengten sich zur Größe von Stecknadelköpfen; er glich einem Raubtier, das seine Beute fixierte. »Bestens. Dann soll er da auch bleiben.«
Mit einer gezielten schnellen Handbewegung legte er den Schalter neben Ecke nach unten um. Begleitet von einem kurzen statischen Knacken erlosch das Portal.
»Was tun Sie da?«, rief der Doktor bestürzt aus.
»Befehl des Reichsführers«, entgegnete Sperber,

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