Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Im Jahre Ragnarök

Titel: Im Jahre Ragnarök Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
Vom Netzwerk:
Erlesenes wie der Van Dyck?«
»Der Van Dyck ist dagegen zweitklassig«, meinte Pallasch geheimnisvoll. Aus Erfahrung wusste er genau, wie er Svenssons Interesse lukrativ steigern konnte.
»Sie werden nicht enttäuscht sein. Kommen's am Freitag den 9. März nach Kassel, und zwar zum Herkules oberhalb der Stadt. Ich wart' um halb zehn am Vormittag dort auf Sie.«
»Ich werde dort sein«, versicherte der Kunsthändler eifrig. »Natürlich«, entgegnete Pallasch knapp und hängte den Hörer wieder ein. Zwar wäre es einfacher gewesen, Svensson die Lieferungen jedes Mal direkt nach Stockholm zu bringen, doch die Zusammenkünfte an Treffpunkten in Deutschland erhielten die Täuschung aufrecht, dass die Kunstwerke aus vergessenen Verstecken dort stammten.
Zufrieden verließ er die Telefonzelle und begab sich wieder hinaus in das Schneetreiben.
     

Washington, D. C.
    Smith spulte das Tonband zurück und hörte sich das aufgezeichnete Gespräch noch einmal an. Er konnte es kaum fassen, doch ein Irrtum war ausgeschlossen – das war die Fährte, auf die er gewartet hatte!
»Jetzt hab' ich euch am Sack, suckers !«, schnaubte er triumphierend. Hastig riss er einen Zettel vom Notizblock und griff nach dem nächstliegenden Bleistift, um schnell Ort und Zeitpunkt niederzuschreiben: Fri Mar 9, 0930h Kassel Herkules Svensson . Mit der anderen Hand zog er das Telefon quer über den Schreibtisch zu sich heran. Er benötigte auf der Stelle das Okay seines Vorgesetzten für den Einsatz und einen Flug nach Europa.
     

Königstein
    »Du hättest Svensson hör'n sollen. Wirklich, ich glaub', dem kommt's jedes Mal, wenn er ein G'schäft mit einem unsrer Bilder wittert.« Pallasch grinste breit. Er hatte die halbwegs ordentliche Kleidung, mit der er in Stockholm gewesen war, wieder abgelegt und gegen eine abgetragene, zusammengestückte Montur ausgetauscht.
In dem schäbig umgefärbten alten Wehrmachtsmantel und der geflickten groben Hose würde er in der Trostlosigkeit Kassels nicht auffallen. Gewohnheitsmäßig, aus fest verinnerlichter Vorsicht, holte er sein Notizbuch aus dem besseren Anzug. Zwischen den Seiten steckte ein weit über die Ränder ragender, zweifach gefalteter Bogen Briefpapier.
»Willst du das etwa mitnehmen?«, fragte Ecke, der mit schnellen Handbewegungen die Skalen eines Rechenschiebers immer wieder gegeneinander verstellte und die Zwischenergebnisse eilig auf ein Papier kritzelte.
Pallasch zuckte mit den Schultern. Höchstwahrscheinlich würde er es nicht brauchen, doch er zog es vor, seine Aufzeichnungen nie aus der Hand zu geben und immer bei sich zu tragen. Er nahm das gefaltete große Blatt heraus und blätterte mit dem Daumen noch einmal schnell die Seiten des Büchleins durch.
»All die Koordinaten der Museen, die ich mühsam zusammeng'sucht hab'«, meinte er voller Bedauern. »Was hätt'n wir da noch alles herausholen können!« »Einmal muss halt Schluss sein«, murmelte Ecke abwesend, ohne von dem Rechenschieber aufzusehen.
Pallasch brachte das Notizbuch in der rechten Innentasche des zerschlissenen Mantels unter. Was er mit dem gefalteten Blatt anfangen sollte, wusste er hingegen nicht so recht. Am liebsten hätte er es vor Ärger zusammengeknüllt und fortgeworfen.
Wozu hatte er denn heute gleich nach der Rückkehr zur Odinsburg in aller Eile heimlich die Gemäldeliste für künftige Lieferungen abgetippt? Die Anstrengung war vergeblich gewesen. Es würde keine Lieferungen mehr geben, Svensson würde die Liste nie zu Gesicht bekommen und sich nicht von Pattons Briefkopf beeindrucken lassen. Das ganze rasch improvisierte Manöver, um den Schweden auf eine Ehrfurcht gebietende falsche Fährte über die Hintermänner des verbotenen Kunsthandels zu führen, hatte Pallasch letztlich nichts eingebracht als Blasen an den Kuppen der Zeigefinger von den schwergängigen Tasten der Maschine.
Aber dann besann er sich anders. Er schluckte den Ärger herunter, was ihm durch die Aussicht auf baldigen Reichtum leichtfiel, und steckte die Liste ohne weiteres Nachdenken in die linke Innentasche. Vielleicht würde sie eines Tages ein nettes Andenken abgeben.
»Ich bin bereit«, sagte er, setzte sich die zerdrückte alte Feldmütze auf und warf sich den Rucksack über.
Der Doktor legte den Rechenschieber beiseite, ging missmutig die aufs Papier geworfenen Zahlenkolonnen durch und kratzte sich am Kinn. »Es gibt ein Problem.
Ich kann dich nicht erst ins Depot schicken, wieder herholen und dann nach Kassel bringen.«
»Und

Weitere Kostenlose Bücher