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Im Jahre Ragnarök

Titel: Im Jahre Ragnarök Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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zu, die sich in geringer Distanz als Schatten abzeichneten.
Ins Schloss zu gelangen, stellte kein Problem dar. Schon in der Grundausbildung hatte Tubber gelernt, so simple Verriegelungen wie die an dieser alten doppelflügligen Eingangstür mit wenig Werkzeug schnell, geräuschlos und ohne sichtbare Spuren zu hinterlassen zu öffnen. Nach einigen Sekunden hatte er sich Zutritt verschafft und machte sich auf den Weg zum Audienzzimmer. Um sich dabei nicht blind durchs Dunkel vorantasten zu müssen, hatte er eine Taschenlampe mitgenommen, abgeblendet durch eine Pappscheibe mit schmalem Schlitz, durch den nur ein scharf begrenzter Lichtstrahl heraustrat. So gab es kein verräterisches Streulicht, das man von außen durch die Fenster vielleicht hätte sehen können.
Durch das Vestibül und den ovalen Marmorsaal erreichte Tubber den Raum, in dem er noch vor wenigen Stunden Patton, der sich jetzt schon längst auf dem Weg nach New York befand, gegenübergesessen hatte. Das Parkett knarrte leise unter seinen Schuhsohlen, doch ansonsten herrschte totale Stille.
Fast sofort fand Tubber hier, wonach er suchte. Der Zettel lag noch immer auf dem kleinen Beistelltisch. Er steckte ihn unverzüglich ein und wollte den Raum wieder verlassen, doch etwas hielt ihn zurück.
War da nicht noch was? , fragte er sich. Tubber dachte scharf nach, und mit einem Mal fiel es ihm ein. Mit dem schmalen Lichtstrahl leuchtete er den Fußboden ab, bis er neben einem Tischbein ein zusammengeknülltes Stück Papier entdeckte, das er gleichfalls an sich nahm. Nun hatte er wirklich alles erledigt.
Auf dem gleichen Weg, den er gekommen war, verließ er das Schloss und trat hinaus in die nächtliche Kälte. Um jeden Hinweis auf seinen reibungslos abgelaufenen Einbruch zu tilgen, verschloss er noch die Tür zum Kolonnadenhof wieder von außen. Nun würde niemand jemals auf den Gedanken kommen, dass Sanssouci in dieser Nacht einen ungeladenen Besucher hatte. Ein Kinderspiel , dachte Tubber grinsend und ging hinüber zu den Säulenreihen.
»Keine Bewegung!«, dröhnte eine Stimme aus dem Dunkel.
Tubber fuhr herum. Noch ehe er etwas erkennen konnte, blendete ihn ein heller Schein und ließ seine Augen schmerzen. Von irgendwo hinter dem beißenden Lichtschleier kamen weitere Befehle: »Hände hoch, sofort! Identifizieren!« Scheiße, sie haben mich erwischt! , raste es durch sein Hirn. Das war das Ende, es gab kein Entkommen. Er hatte versagt.
Versagt – nur für den unendlich kurzen Bruchteil einer Sekunde schnellte diese Vorstellung an die Oberfläche von Tubbers Bewusstsein. Doch das reichte aus.
Er rannte los. Er lief zwischen den Säulen hindurch, so schnell ihn seine Füße trugen, entkam dem Lichtkegel. Hinter sich hörte er Schüsse krachen; eine Kugel schlug keinen Yard neben seinem Kopf in eine der Säulen ein, Steinsplitter trafen seine Wange. Doch die Nacht schützte ihn, die Wache feuerte blind ins Dunkel. Er lief schneller, in Richtung der Mauer. Tubber wusste, dass ihm nur wenige Augenblicke blieben. Die Schüsse mussten längst die übrigen Patrouillen alarmiert haben; bald würde es endgültig keinen Ausweg mehr geben. Wenn nur Dünnbrot auf den Lärm reagiert und den Kran in Gang gesetzt hatte!
Und tatsächlich senkte sich der Korb gerade, als Tubber die Mauer erreichte. Der Abstand zum Boden betrug noch fast anderthalb Meter, da packte er das Trittbrett am Einstieg und brüllte, was seine Lungen hergaben: »Hoch! Hoch! Schnell!«
In der Luft hängend schwebte Tubber über die Mauerkrone, während hinter ihm aufgeregte Rufe und Hundegebell durch die Nacht hallten. Kaum hatte er die Mauer hinter sich, da ließ er sich zu Boden fallen. »Einsteigen! Weg hier!«, schrie er dem leichenblassen Dünnbrot mit überschlagender Stimme zu. »Und kein Wort, verstanden?«
* * *
    Jeder einzelne Knochen seines Körper schien Tubber aus zentnerschwerem Blei zu bestehen. Der Tag hatte ihm eine Menge abverlangt. Nun lag er vollkommen erschöpft auf der Couch in Greta Donaths Wohnzimmer und versuchte, endlich zu schlafen. Doch obwohl er vor lauter Müdigkeit nicht einmal mehr die Kopfschmerzen fühlte, die längst zu seinem ständigen Begleiter geworden waren, fand er keinen Schlaf. Schuld daran war nicht etwa der Nachhall der Erlebnisse in Sanssouci. Vielmehr schwirrten ihm zu viele Dinge durch den Kopf, ließen sein Gehirn nicht aus ihren Fängen.
So lag er auf dem Rücken, starrte an die in dunkelgrauem Halblicht verschwimmende Zimmerdecke und wartete

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