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Im Jahre Ragnarök

Titel: Im Jahre Ragnarök Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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schlechteren Straßen, zudem noch eingehüllt in dichte Staubwolken, von fahrenden Autos aus geschossen und getroffen. Es war eine Frage der Erfahrung. Und die fehlte dem Amerikaner ganz eindeutig.
Tubber legte an, spannte den Zeigefinger am Abzug und drückte ab.

Smith feuerte einen Schuss nach dem anderen ab, doch ohne jeden Effekt. Die unberechenbaren Erschütterungen machten ihm das Zielen nahezu unmöglich, was seinen Zorn noch weiter steigerte. Er gab blindlings einen weiteren Schuss ab, dem wie ein Echo ein weiterer Knall folgte.
Fast im gleichen Sekundenbruchteil breitete sich mit einem kurzen, durchdringenden Knacken ein dichtes Spinnwebmuster über die Windschutzscheibe aus, ausgehend von einem kleinen Loch in der Mitte.
»Ich kann nichts mehr sehen!«, rief der Fahrer. »Ich muss bremsen!«
»Wenn Sie anhalten, reiße ich Ihren fetten Arsch auf!«, brüllte Smith zurück. Er holte mit dem Ellenbogen aus und zerschmetterte mit einem kraftvollen Schlag die geborstene Scheibe. Ein Regen kleiner Bruchstücke von Glas, durch den Fahrtwind ins Innere des Wagens gedrückt, prasselte auf Smith und den Fahrer, sodass sie die Lider zukniffen.
Als sie ihre Augen wieder aufschlugen, sahen sie, dass sie direkt auf ein hoch mit Heu beladenes Pferdefuhrwerk zurasten. Der Fahrer schrie vor Schreck auf und hob einem sinnlosen Instinkt folgend die Arme schützend vor das Gesicht; die Kollision schien unausweichlich, doch Smith griff im letzten Augenblick ins Lenkrad. Er riss das Steuer herum, sodass der Ford zur Seite schwenkte. Der Wagen streifte eine Mauer; mit ohrenbetäubendem Kreischen pflügte das eingedrückte Blech über die rohen Ziegel und zog dabei einen Schweif schnell verglühender Funken hinter sich her, bis das Auto endlich zum Stillstand kam.

Dünnbrot konnte im Rückspiegel noch erkennen, wie Smith und sein Fahrer benommen, aber augenscheinlich unverletzt ausstiegen, ehe er den Wagen aus den Augen verlor.
»Er lebt noch«, bemerkte der Polizist unzufrieden.
»Aber immerhin sind wir ihn los. Vorerst wenigstens«, meinte Tubber. Er lehnte sich zurück, steckte die Pistole wieder ein und wartete auf ein Wort der Anerkennung für seinen mustergültigen Schuss. Aber stattdessen folgte zunächst ein lang gezogener Moment der Stille, während sich die Anspannung der anderen drei Insassen nach der überstandenen Gefahr langsam löste. Dünnbrot begann als Erster wieder zu reden. Mit unverhohlener Feindseligkeit hielt er Tubber vor: »Sie haben uns alle in die Scheiße geritten, Sie Arschloch!«
Tubber traute seinen Ohren nicht; doch ihm blieb nicht einmal Zeit, gegen die Beleidigung zu protestieren, denn der Deutsche machte seiner Wut ohne Atempause Luft:
»Ihretwegen kann keiner von uns mehr zurück. Wir hängen jetzt mit drin, die CIG jagt uns ohne Unterschied, sogar Chantal und Fräulein Donath. Und das alles nur wegen Ihrer idiotischen Hirngespinste und der eingebildeten Naziverschwörung!
Ich weiß wirklich nicht, was mich noch davon abhält, Ihnen auf die Fresse zu schlagen, Sie mieser ...«
»Sie tun ihm unrecht!«, ging Greta empört dazwischen, bevor Tubber Gelegenheit fand, sich selbst zu rechtfertigen.
Dünnbrot stutzte ungläubig. »Der Kerl hat Sie um Ihre Existenz gebracht und Sie verteidigen ihn auch noch?«
»Natürlich! Sie haben ja keine Ahnung, was wir in der vergangenen Nacht – nein, erzählen Sie es, John!«
»Hoffentlich ist eine überzeugende Geschichte«, bemerkte Chantal verdrießlich.
Tubber sah in die Runde seiner Mitfahrer. Dünnbrots Gesichtsausdruck war finster und bedrohlich, gezeichnet von mühsam aufrechterhaltener Selbstbeherrschung.
Chantal war offensichtlich unentschlossen, ob sie verärgert, misstrauisch oder neugierig sein sollte; es schien aber, als würde die Neugierde deutlich die Oberhand gewinnen. Und schließlich schaute er zu Greta, die ihn mit ihrem Blick und einem Nicken abermals aufforderte, die Ereignisse der Nacht zu schildern.
Tubber brachte schnell seine Erinnerungen in die richtige Reihenfolge, dann fasste er zusammen, was in den hinter ihnen liegenden Stunden geschehen war. Er verschwieg nichts, auch nicht, dass er seine Suspendierung vom Dienst vorsätzlich missachtet hatte und nun für seine Vorgesetzten ein unzurechnungsfähiger Befehlsverweigerer sein musste. So machte er den anderen deutlich, dass es für ihn ebenfalls kein Zurück gab, sondern nur die Flucht nach vorne. Aber den meisten Raum nahmen die Ereignisse in den Ruinen von Görings Landsitz

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