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Im Jenseits ist die Hölle los

Titel: Im Jenseits ist die Hölle los Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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und lockt zum Verweilen. Auch wenn ich als Toter keine eigentlichen Einkäufe tätigen konnte, fühlte ich mich doch wohl zwischen all den Ständen, denn die Gerüche, das Men­ schengewimmel und das Kreischen der Möwen erinner­ ten mich an früher, als ich noch lebte und hier wie jetzt meine Zeit totgeschlagen hatte.
    Gegen Mittag wurde ich auf eine Gruppe Soldaten aufmerksam. Sie kamen über die Süd-Esplanade und wollten wahrscheinlich zur Wachablösung vor der Hauptwache. Ich folgte der zackig marschierenden Ab­ teilung, die dann auch tatsächlich in den Hof des Präsi­ dentenpalastes einbog. Dort exerzierten die Soldaten und bildeten ein Ehrenspalier. Die Kapelle trommelte kräftig. Draußen auf der Straße versammelten sich Neugierige; den Gesprächen der Leute entnahm ich, dass ein ausländischer Botschafter erwartet wurde, der dem Präsidenten sein Beglaubigungsschreiben überrei­ chen wollte.
    Ein interessantes Ereignis. Ich stellte mich ans Ein­ gangstor, um auf den Botschafter zu warten.
    Zu beiden Seiten des Tors stand je ein Kadett, in steifer Haltung und mit geschult ausdrucksloser Miene. Bei diesen Männern war bestimmt jeder Nerv und jede Sehne angespannt. Es war ihnen nicht einmal möglich, das Standbein zu wechseln, auch wenn es ihnen noch so sehr in den Muskeln zog. Einem der beiden sah ich in die Augen und zog spaßige Grimassen.
    Plötzlich hielt ich überrascht inne: Der reglos vor mir stehende Kadett schien zu denken.
    Dabei setzte mich nicht die Tatsache in Erstaunen, dass er dachte, sondern vielmehr, dass ich erkannte, was in seinem Kopf vorging. Ich brauchte ihm nur kon­ zentriert in die Augen zu schauen, und schon wusste ich, womit sich seine Gedanken gerade befassten. Wie einfach!
    »Wenn Kekkonen kommt, rühre ich mich nicht«, sagte sich der Kadett. Anschließend ruhte sich sein Gehirn einen Augenblick aus, und dann ging ihm ein neuer Gedanke durch den Kopf: »Jetzt könnte der Botschafter
    langsam eintrudeln.« Es dauerte eine Weile, bis in seinem Kopf wieder ein Gedanke entstand: »Zum Glück muss ich nicht pinkeln. Wenn ich dringend pinkeln müsste, gäbe es nur drei Alternativen: Blase platzen lassen, in die Hose machen oder Laufbahn zu Ende.«
    Draußen auf der Straße fuhr eine weich gefederte schwarze Limousine vor, der die Polizisten rechtzeitig Platz geschaffen hatten. Ein dunkelhäutiger, dicker Mann mit einem roten Fez auf dem Kopf stieg aus. Er trug einen schwarzen Anzug und glänzende Schuhe. Ernst und gesetzt schritt er durch das Ehrenspalier der Soldaten zum Palast, ihm folgten eine schöne Frau, vermutlich seine Gattin, dann noch eine zweite, hässli­ chere, wahrscheinlich die Dolmetscherin, und ich, der für die anderen unsichtbar blieb. Die Kapelle intonierte die Nationalhymne des Botschafters, und ein Angestell­ ter des Schlosses öffnete theatralisch beide Flügel des Hauptportals auf einmal, was sehr feierlich aussah. Wurden die Flügel dagegen nacheinander geöffnet, wirkte es so alltäglich, als ginge man in eine Scheune.
    Der Staatspräsident empfing den Botschafter im großen Saal, wahrscheinlich dem festlichsten Raum des Schlosses. Er kam mit langen Schritten herein, wobei sein Gang, wie man es bei ihm gewohnt war, ein wenig an den eines Tigers erinnerte. Dann stellte er sich in Positur, um seine protokollarische Aufgabe zu erfüllen, woraufhin der Botschafter eine Rede auf Französisch hielt, sodass ich nicht viel verstand, lediglich, dass er Kamerun repräsentierte.
    Ich sah Präsident Kekkonen fest in die Augen, denn ich wollte gern wissen, was er dachte.
    Zuerst herrschte lange Zeit völlige Leere in seinem Kopf; Kekkonen dachte anscheinend überhaupt nichts, obwohl seine Miene auf einen Außenstehenden so wirk­ te, als lauschte er aufmerksam der Rede des Botschaf­ ters. Dann plötzlich, ohne dass auch nur ein Muskel in seinem Gesicht zuckte, zog ein flüchtiger Gedanke durch sein Gehirn: »Der Mann ist ungefähr sechzig – das ist ein hohes Alter für einen Afrikaner. Wenn er ein gewöhnlicher Durchschnittsbürger wäre, läge er schon längst unter der Erde. Aber von Rachitis sieht man bei diesem Kerl keine Spur.«
    Der Präsident musterte das Gesicht des Botschafters. Am Rand der Nase zeichneten sich dunkelrote Adern ab, und diese lenkten die Gedanken des Präsidenten auf Zuckmückenlarven, wenn diese auch von hellerem Rot waren. »Die Russen waren es, die auf die Idee gekom­ men sind, diese Larven als Köder beim Eisangeln zu benutzen –

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