Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Im Jenseits ist die Hölle los

Titel: Im Jenseits ist die Hölle los Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
Vom Netzwerk:
diesen Gedanken erreichte ich eine flache Senke, auf deren Grund ich einen silberig glänzenden, vierräde­ rigen Wagen entdeckte. Auf dem Gefährt saß ein Mensch, der gelangweilt die Arme aufgestützt hatte. Ich schlich näher, um mir den Wagen und den Kutscher genauer anzusehen und herauszufinden, ob das Ding kaputt war, da es stillstand.
    Der Wagen war allem Anschein nach aus Aluminium. Er hatte vier Metallräder und eine runde Haube von etwa einem Meter Durchmesser, die mit einer ganzen Reihe verschiedener Ausbauten, Antennen und Senso­ ren versehen war. Der Wagen stand ein wenig schief, denn er war durch einen Stein gebremst worden. Die Hinterräder hatten Mondstaub aufgewühlt, offensicht­ lich bei dem Versuch, das Gefährt wieder in Gang zu bringen, doch das Hindernis hatte die Weiterfahrt un­ möglich gemacht.
    Auf dem Wagen saß ein betagtes, etwa siebzigjähriges rundliches Mütterchen, gekleidet wie eine einfache Bauersfrau. Ihre Füße steckten in Filzstiefeln, der Rock reichte bis über die Knie, außerdem trug sie einen Woll­ pullover und ein Schultertuch in fröhlich bunten Far-ben. Die Haare hatte sie mit einem hübschen Kopftuch zurückgebunden. Als sie mich herankommen sah, zog über ihr rundes Gesicht ein erfreutes Lächeln, und sie plapperte sofort los:
    »Guck an, wer bist du denn? Sprichst du meine Spra­ che?« Sie war eine Karelierin, die Sprache konnte ich gut verstehen. Auf meine Frage, was sie hier mit diesem seltsamen Gefährt tat, schlug sie sich mit beiden Hän­ den auf die Knie und seufzte:
    »Ach herrje, hätte ich bloß nicht diese Reise gemacht. Und der Wagen gehört mir nicht einmal. Vorige Woche bin ich mit einem Schweden hergekommen, er hat ge­ sagt, er zeigt mir den Weg, und dann hat er mich armes Weib hier sitzen lassen. Er ist einfach verschwunden, hat bloß noch gesagt, wenn ich mich bei Tag auf den Weg mache, finde ich auch allein wieder nach Russ-land.«
    Aber die Alte hatte sich nicht allein durchs Weltall getraut, und deshalb saß sie immer noch auf dem Mond.
    »Wie soll ich wissen, ob ich mich nicht doch im Äther verirre, und dann sause ich da hilflos rum. Nee, ich hab’s lieber gelassen.«
    Das Mütterchen erzählte, dass sie bereits kurz nach dem Zweiten Weltkrieg gestorben war, aber erst jetzt den Mond besucht habe. Zu Lebzeiten sei sie eine stramme Kommunistin gewesen und habe nun die Geräte sehen wollen, die die Sowjetunion einst auf den Mond ge­ schickt hatte, also auch dieses Gefährt, auf dem sie gerade saß.
    »Lunachod haben die Jungs in Baikonur das Ding ge­ tauft. Ein prima Wägelchen, wie du siehst. Es bewegt sich bloß nicht mehr, steht schon seit zehn Jahren auf diesem Platz, ganz unbenutzt. All das viele Geld haben sie umsonst rausgeschmissen.«
    Das redselige Mütterchen erkundigte sich, wer ich sei, aus welchem Land ich stamme, wann ich gestorben war und was ich vor meinem Tod gemacht hatte. Ich erzählte ihr, was sie wissen wollte und noch ein bisschen mehr, und fragte meinerseits nach ihrem Leben. Hier im Jen­ seits unterhält man sich mit seinen Gesprächspartnern nicht über das Wetter, so wie es die Lebenden tun, sondern man erkundigt sich üblicherweise nach der Begrüßung, wann der andere gestorben ist und an­ schließend natürlich nach dessen Lebenszeit.
    Die alte Frau erzählte, dass sie den größten Teil ihres Lebens in Weißmeerkarelien verbracht habe, im späte­ ren Alter, nach der Revolution, jedoch nach Petrosa­ wodsk gezogen war. Von dort habe man sie, des Landes­ verrats verdächtigt, ins Arbeitslager von Workuta depor­ tiert. Über die Zeit dort beklagte sie sich heftig.
    »Hab ich eine Wut auf Stalin gekriegt! Ich konnte mich nicht mal richtig darüber freuen, als er im Krieg den Deutschen den Marsch geblasen hat.«
    Nach dem Krieg, und nachdem sich die Bedingungen ein wenig gelockert hatten, war die Alte aus Workuta entlassen und rehabilitiert worden. Sie war nach Lenin­ grad gezogen und hatte dort mit ihrem erwachsenen Sohn bis 1953 gelebt, also bis zu dem Jahr, in dem Stalin starb. Sie erzählte, dass die Leute anfangs gar nicht glauben mochten, dass Stalin wirklich tot war. Allerlei Gerüchte machten die Runde, aber man war sich nicht sicher, ob man lachen oder weinen sollte. Erst als die endgültige Bestätigung gekommen war, hatte die Alte vor Freude geweint. Sie war in die Kaufhalle gerannt und hatte ein ganzes Huhn erstanden. Das hatte sie im Ofen gebrutzelt, hatte eine gute Soße gemacht, einen großen

Weitere Kostenlose Bücher