Im Jenseits ist die Hölle los
diesen jungen Mann noch mal zur Veranschaulichung die damalige Sprache«, forderte er ihn zum Schluss auf.
»Lonjieh kos suherts marraiecouh, kur saiuno liinoul elisie! Kaalaimanhhii! Heish!«
Huretta erklärte, das bedeute, frei übersetzt, etwa: »Was hältst du davon, lieber Nachbar, wenn wir die
Netze auswerfen? Lass uns Fische fangen! Hechte!« 21
Es war sehr unterhaltsam mit dem Mann aus der Stein zeit. Aber wir mussten das angenehme Gespräch been-den, denn der Schriftsteller-Forscher Sakari Pälsi hatte noch etwas vor. Er erzählte, dass am selben Tag ein großes Treffen der Literaten Finnlands stattfinden werde und dass er beabsichtige, daran teilzunehmen:
»Alle zehn Jahre halten die toten finnischen Schrift steller und andere Vertreter des Literaturbetriebs eine Versammlung ab. Das vorige Mal haben wir uns auf einer Insel im Pielisjärvi-See getroffen. Damals nahmen einige tausend Leute teil. Diesmal war Helsinki zum Veranstaltungsort bestimmt worden, allerdings war es nicht einfach, das richtige Gelände für ein Treffen dieser Größenordnung zu finden.«
Schließlich waren Kaivopuisto und die Felsen von Ul lanlinna ausgewählt worden, und dorthin wollte sich Pälsi jetzt begeben. Er forderte mich auf, ihn zu beglei ten, und ich nahm die Einladung gern an. Wir versuch ten auch Huretta zur Teilnahme zu überreden, aber er meinte dazu:
»Da ich zu Lebzeiten nichts vom Schreiben gewusst habe, interessieren mich solche Versammlungen nicht sehr… Ich werde mich ein wenig in der Stadt umsehen.«
Pälsi flüsterte mir zu:
»Ich muss leider gestehen, dass Huretta die Angewohnheit hat, ins Kino zu gehen und sich Sexfilme anzusehen… Ich vermute, dass dabei irgendwelche primitiven Anlagen in seiner Persönlichkeit eine Rolle spielen, dass es sich um ein Relikt aus der Steinzeit handelt, an sich eine abstoßende und unanständige Neigung, aber da er mich nicht zwingt, ihn zu begleiten, habe ich beschlossen, der Sache weiter keine Beachtung zu schenken. Huretta ist ein zu alter Toter, als dass er noch seine Gewohnheiten ändern könnte.«
Am Nachmittag kamen also die toten finnischen Schriftsteller aller Zeiten in Kaivopuisto zusammen, wohin auch Sakari Pälsi und ich strebten. Es war Sams tag, und das Treffen sollte am Sonntag fortgesetzt wer den. Pälsi berichtete, dass die Versammlung natürlich weder eine Tagesordnung habe noch Beschlüsse fasse. Es werde so verfahren, dass jemand referierte und die anderen zuhörten, sofern die Rede interessant war. Einen Vorsitzenden gebe es nicht mehr, seit Mikael Agricola das Amt mit der Begründung niedergelegt habe, dass er zu alt und tatterig dafür sei. Maila Talvio habe sich dem Vernehmen nach bereit erklärt, seine Nachfol ge anzutreten; daraus sei jedoch nichts geworden, da sie sich bald nach ihrem Tod in Luft aufgelöst habe.
Sakari Pälsi kannte die meisten anwesenden Schrift steller persönlich. Ich registrierte, dass sich jeweils die Zeitgenossen zusammenfanden: In einer Höhle des Felsens von Ullanlinna hockten etwa zehn Greise, die zu den ältesten Bahnbrechern unserer Literatur gehörten. Pälsi zählte sie mir namentlich auf:
»Der weißhaarige Alte dort ist Mikael Agricola, der Schüler Martin Luthers, unmittelbar neben ihm sitzen Isak Rothovius und beide Gezelius’ sowie der jüngere und der ältere Juhana, Gabriel Tuderus und Antti Lize lius unterhalten sich gerade mit Pietari Kalm, und wenn ich mich nicht irre, höre ich noch die Stimme von Adolf Ivar Arwidsson.«
»Hier sitzen zehn der wichtigsten historischen Persön lichkeiten Finnlands einfach in einer Felshöhle beisam men«, staunte ich. Pälsi nickte. Er sagte, dass gerade die Literatur als Kunstform für die Entwicklung einer Nati on wichtig sei; ihr Einfluss auf die Geschichte des Vol kes übertreffe häufig den der Politiker um ein Vielfaches. Nur leider werde die Literatur zu der Zeit, da sie ge schaffen wurde, nicht gewürdigt. Erst später bemerkten die Völker, wem sie Dank schuldeten.
Als bescheidener Mann fügte Pälsi jedoch noch hinzu: »Denken Sie nun aber nicht, dass ich mir historischen
Einfluss zurechne, auch wenn ich ein Schriftsteller bin.« Ich bemerkte darauf, dass meiner Meinung nach sei
ne literarische Bedeutung nicht zu unterschätzen sei, und als Beweis zählte ich einige seiner Werke auf. Meine Worte schmeichelten ihm, und eifrig machte er mich auf weitere Teilnehmer des großen Schriftstellertreffens aufmerksam. Inzwischen
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