Im Jenseits ist die Hölle los
nicht, wenn das Erlernen der Fremdsprachen dadurch gefördert wird. Wer die Ge bräuche des Nachbarn kennen lernen oder mit ihm Handel treiben möchte, sollte sich auf keinen Fall zu dessen Diener machen.«
Snellman verließ seinen Platz in der Mitte des Kreises. Begeisterte Hurrarufe ertönten, der Redner wurde zu seinen klugen Worten beglückwünscht, und dann trat ein alter, weißhaariger Mann, A. I. Arwidsson, vor und sagte mit weithin hörbarer Stimme:
»Schweden sind wir nicht, Russen sind wir nicht ge worden, wir waren Finnen, aber jetzt scheinen wir zu Engländern und Amerikanern zu werden!«
Damit endete das offizielle Programm des Schriftstel lertreffens für diesen Tag. Pälsi unterhielt sich noch mit Vilkuna; ich entdeckte abseits auf einem Felsen drei berühmte Schriftsteller, nämlich Aleksis Kivi, Eino Leino und Pentti Haanpää, und trat hinzu, um ihnen zu lau schen. Ihr Gespräch schien lustig zu sein, denn sie lachten immer wieder laut auf. Als sie bemerkten, dass sich noch mehr Zuhörer des bisherigen Redners um sie versammelten, hauptsächlich Kritiker, entfernten sie sich, immer noch laut lachend.
Zum Zeitvertreib folgte ich ihnen. In Kaivopuisto trat den drei Nationalschriftstellern ein stämmiger Mann in schwarzem Gewand entgegen, sie verbeugten sich höf lich und gingen dann zusammen mit ihm in die Stadt. Ich beschleunigte den Schritt, und bald sah ich zu meiner großen Verwunderung, dass es sich bei dem Mann um Propst Hinnermäki handelte.
22
Propst Hinnermäki erkannte mich schon von weitem. Er stellte mich den drei Schriftstellern vor und fragte dann, wie die Sache mit meinem Mädchen ausgegangen sei.
»Wir haben uns getrennt«, sagte ich niedergeschlagen. »Sie ist also nicht gestorben? Nun, mein Sohn, ir
gendwann wird es so weit sein. Warte einfach ab, noch nie hat jemand die Welt lebend überstanden.«
Ich sagte, dass Elsa sehr wohl gestorben sei, so wie erwartet, dass sie mich dann aber verlassen habe:
»Es geschah auf dem Mond. Aber reden wir jetzt nicht davon. Wie bist du denn mit diesen Herren bekannt geworden?«
Die Schriftsteller erzählten, dass sie Hinnermäki gut kannten und sich schon oft mit ihm über existenzielle Fragen unterhalten hatten. Doch als der Propst an schließend die drei zu überreden versuchte, sich ge meinsam anzuschauen, wie sich einer seiner ehemaligen Konfirmanden, ein Bauer, totsoff, sagten die Schriftstel ler wie aus einem Mund, dass sie seinerzeit so viele am Alkohol hatten sterben sehen, dass es sie nicht mehr interessierte. Außerdem hatten sie noch etwas anderes vor und waren in Eile.
Ich hatte Zeit, sodass ich beschloss, den Propst zu begleiten.
Hinnermäki informierte mich darüber, was mich erwartete:
»Es handelt sich um den Bauern Arttela aus Suomus järvi. Ach, was war er als Kind, als ich ihn konfirmierte, für ein niedliches Kerlchen… nun ja. Heute ist er ein exorbitanter Trinker, ein richtiges Prachtexemplar. Er ist sehr einfallsreich, und er hat Geld. Jetzt zecht er bereits drei oder vier Tage und Nächte ohne Pause. Bald fällt der Vorhang, um es mal so auszudrücken. Dies ist garantiert Arttelas letzte Saufkur.«
Wir begaben uns nach Suomusjärvi, wo Hinnermäki mir Arttelas Saufkapital zeigte, ein beachtliches Landgut mit weiten Feldern, zahlreichen Stallungen und einem großen Hauptgebäude, einem zweistöckigen roten Holz haus. Ein solches Anwesen zu versaufen, erforderte in der Tat eine respektable Leistung auf diesem Gebiet.
Der Hausherr saß stockbesoffen im Schaukelstuhl mitten in der großen Stube, in der Hand hielt er einen tropfenden Becher mit Schnaps und auf dem Schoß eine tropfnasse, struppige schwarze Katze. Der Mann war erst um die fünfzig, hatte aber bereits weißes Haar. Er wirkte schlaff, sein Bauch war dick und aufgedunsen. Wenn er seinen Schlund öffnete, um zu lachen, wurden braune Zähne und eine grünlich belegte, dicke Zunge sichtbar, und wenn er seine faulige Schnapsfahne aus atmete, wandte sich sogar die Katze ab, und ihre Schwanzhaare sträubten sich vor Ekel.
Das große Herrenhaus war insgesamt so verwahrlost, dass es schon fast harmonisch wirkte. Offensichtlich war seit Jahren nicht mehr aufgeräumt worden. Möbel und ländliches Gerät standen oder lagen wahllos herum, Staub und Schimmel bedeckten die Gegenstände, den Fußboden, die Wände. Das Dach des Gebäudes hing schief, der einstmals rote Anstrich der Wände hatte sich dunkelbraun verfärbt, zwischen den
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