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Im Jenseits ist die Hölle los

Titel: Im Jenseits ist die Hölle los Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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weitere Herr­ lichkeiten zu erfinden, die das Mütterchen dann auch in vollen Zügen genoss. Wenn ein Traum zu Ende war, konnte ich stets befriedigt sehen, dass sie fest schlief, ganz ruhig und entspannt. Tagsüber war sie nach der gut durchschlafenen Nacht viel munterer, und obwohl es in der Stube kalt war, summte sie fröhlich vor sich hin. Sogar der Hund bemerkte, dass sich die Stimmung seines Frauchens gebessert hatte, er wedelte von Zeit zu Zeit mit dem Schwanz und winselte zufrieden, wenn er sein einfaches Fressen entgegennahm.
    Während ihres Mittagsschläfchens ließ ich sie ihren früh verstorbenen Mann treffen, den Menschen, den sie in ihrer Jugend so geliebt hatte. Ich führte beide in den Wald oder in die vertraute Scheune, wo er sie im Scherz mit Stroh bewarf und anschließend innig umarmte. Selig lächelnd erwachte sie aus diesen Träumen und wirtschaftete herum wie eine junge Braut, die ihren Liebsten erwartet.
    Auch den anderen Bewohnern des weitläufigen Dorfes brachte ich schöne Träume, schließlich war die nördli­ che Nacht lang genug. Ich zog von Haus zu Haus; in den besten Zeiten schaffte ich innerhalb einer Nacht mehr als zehn solcher Besuche. Natürlich war es anstrengend. Die Menschen sind von ihren Erfahrungen und ihrem Charakter her so verschieden, dass man nicht allen die gleichen Träume vorsetzen kann, sondern sich beinah für jeden einen anderen ausdenken muss. Sorgfalt ist oberstes Gebot, denn ein Traum, den der eine aus gan­ zem Herzen genießt, kann für den anderen unangenehm und für den dritten sogar ein Albtraum sein. Auch müs­ sen Männer und Frauen unterschiedlich behandelt werden: Männer mögen melancholische Träume, Frauen mehr die aktionsreichen. Man sollte denken, dass es umgekehrt wäre, aber aus Erfahrung weiß ich, dass dem nicht so ist.
    Natürlich hatten die Bewohner dieses entlegenen Ein­ öddorfes auch eigene Träume, doch waren diese oft wirr, der rote Faden war nicht immer zu erkennen, ja, manchmal waren sie gänzlich ohne Sinn und Verstand und wurden zu Albträumen, wie mir auffiel. So träum­ ten zum Beispiel viele vom Krieg, obwohl seitdem schon mehr als vierzig Jahre vergangen waren, besonders die Männer, die jahrelang an der Front in Todesangst gelebt hatten. In diesen Fällen musste ich in den Traum ein­ greifen, musste die Kriegsführung in die Hand nehmen und entweder die Kampfhandlungen einstellen oder den Feind blutig geschlagen abziehen lassen. Einmal konnte ich die Situation dadurch retten, dass ich einen gefähr­ lich näher kommenden Panzer in Flammen aufgehen ließ. Es gelang mir gerade noch im letzten Moment, und der abschließende Höhepunkt war dann, dass der betreffende Träumer zum Stabsunteroffizier befördert wurde. Wie eifrig er daraufhin gleich am nächsten Tag auf seinem Hof herumwirtschaftete! Gleich für mehrere Tage hatte ich seine Angst vor einem dritten Weltkrieg gebannt.
    Dann hatte mein kleines, frommes Mütterchen eines Nachts einen scheußlichen Albtraum, durch den ich von ihrem schlimmsten Problem erfuhr. Ich hatte ihr zu Beginn der Nacht eine muntere Träumerei beschert, in der sie jugendlich beschwingt auf den Tanzboden gegan­ gen war und bis zur Erschöpfung getanzt hatte – regel­ recht ausgelassen war sie gewesen.
    Doch unmittelbar danach hatte sie eben diesen Alb­ traum, in dem sie für die Sündhaftigkeit ihres Tanzes getadelt wurde, und bei dieser Gelegenheit erfuhr ich, dass sie aus der örtlichen altlaestadianischen Gemeinde ausgeschlossen worden war, weil sie im Herbst bei einem Besuch in Rovaniemi gesündigt hatte. Sie hatte nämlich in der Halle des Zentralkrankenhauses fernge­ sehen, so wie viele andere wartende Patienten auch, und in ihrer Unbedachtheit hatte sie das bald nach ihrer Heimkehr im Dorf erzählt. Sie hatte auch noch hinzuge­ fügt, dass es Farbfernsehen gewesen war.
    Diese Nachricht war bald der Leitung der laestadiani­ schen Gemeinde zu Ohren gekommen, und das Mütter­ chen war zu einer Aussprache zitiert worden, in der sie sämtliche Sünden hatte bekennen müssen. Man hatte ihr gesagt, dass Gott ihr nicht mehr gnädig wäre, dass ihre Sünden nicht vergeben wurden, was sie somit zur Verdammnis verurteilte. Zwei Abende und Nächte lang hatte man sie verhört und immer mehr rabenschwarze Sünden auf ihre schmalen Schultern geladen. Sie hatte gefleht, geweint und gebettelt, dass man sie nicht aus der Gemeinde ausschließen, sondern ihr erlauben möge, weiterhin die Zusammenkünfte

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