Im Keller
Hüften, dunkelblaue weite Hose, dunkelblaues, weites T-Shirt.
Aber die Küche war erstklassig. Marion Hovenbitzer (rotbraun gefärbte Haare im Page nschnitt, rundes, ungeschminktes Gesicht, Knubbelnase) bot ihm Kaffee an und ein Stück selbstgebackenen Apfelkuchen. Arthur nahm dankend an, und die Frau setzte sich mit eigenem Kaffee und Kuchen dazu.
Beides schmeckte hervorragend, und nach dem ersten Bissen teilte Arthur Frau Hovenbitzer mit sorgfältig gewählten Worten mit, dass ihr Mann Heribert verstorben bzw. ermordet wo rden sei. Eigentlich hatte er erwartet, dass die Frau kühl oder aber mit schlecht gespielter, erschrockener Überraschung reagieren würde, hatte sie den Mann doch verlassen oder gar seine Ermordung eingefädelt.
Stattdessen ließ sie die Kuchengabel fallen, starrte Arthur einen Moment mit aufgerissenen Augen an, hauchte ein entsetztes „Nein“ und fing an zu weinen. Schließlich stand sie auf, holte ein Päckchen Tempo aus der Schublade und stellte sich damit ans Fenster.
Arthur ließ sie in Ruhe und aß seinen Kuchen. Ein paar Minuten später hatte sie sich halbwegs beruhigt und setzte sich wieder an den Tisch.
„Tut mir leid, ich wusste nicht, dass Sie sich noch so nahe standen“ , erklärte Arthur.
„Was heißt hier nahe“, seufzte die Frau. „Er war ja kein schlechter Mensch. Nur, seit er in Rente war und nur noch zu Hause rumsaß, haben wir uns dauernd gezankt.“ Noch ein Seufzer. „Das hab ich irgendwann nicht mehr ausgehalten.“
„Wie lange waren Sie zusammen?“
„Fast 30 Jahre.“
„Dann kannten Sie auch Clemens Kirchfeld?“
„Ja, das war der Vermieter von unserer ersten Wohnung. Ein schrecklicher Mensch. Dem bin ich immer aus dem Weg gegangen ... der hat mich sogar ein paar Mal angegrapscht. War ich froh, als der plötzlich verschwunden war. Aber wie kommen Sie jetzt auf den?“
„Wir haben seine Leiche vorgestern im Haus seiner verstorbenen Mutter gefunden.“
„Im Haus seiner Mutter? Wie furchtbar! Wie ist er denn dahin gekommen?“
Gute Frage. „ Wissen wir noch nicht. Kannten Sie die Mutter?“
„Nur vom Sehen.“ In Hovenbitzers Augen schimmerten schon wieder die Tränen.
Schnell schickte Arthur die nächste Frage hinterher. „Wie war denn das Verhältnis zwischen Kirchfeld und seiner Frau?“
„Sie meinen die Uschi? Ach die Arme. Wir sind uns ab und zu mal im Treppenhaus bege gnet, oder im Garten oder so. Manchmal hab ich sie auch wochenlang nicht gesehen. Und manchmal“, zwei Tränchen kullerten die runden, geröteten Wangen hinab, „hatte sie so blaue Flecken an den Armen oder im Gesicht.“
Die Emotionen gingen wieder durch mit Frau Hovenbitzer, die entweder eine besonders mi tfühlende Seele besaß, gerade in die Wechseljahre kam - oder eine beeindruckende Show ablieferte. Sie weinte noch ein bisschen, rieb sich die Augen trocken und schnäuzte sich.
Hoffentlich wurde sie von der nächsten Frage nicht wieder überwältigt. „Frau Hovenbitzer, ich muss das jetzt fragen: sind Sie die Alleinerbin Ihres Mannes? Bra uchen Sie Geld?“
„Ich? Geld?“ Sie staunte mit großen, braunen Augen. „Wilfried, also mein Lebensgefährte, der ist Geschäftsführer einer Möbelhauskette ... wir haben keine Geldsorgen.“
„Und wie sieht das bei Ihren Kindern aus?“
Ihre Augen wurden noch größer und traten noch ein wenig weiter heraus, als sie es sowieso schon taten. Probleme mit der Schilddrüse? „Bei den Kindern? Sie glauben, dass die Kinder den eigenen Vater .... in was für einer schrecklichen Welt leben Sie denn?!“
„Sorry gute Frau, in der gleichen Welt wie Sie, und die ist schrecklich! Seien Sie froh, wenn Sie bisher nichts davon mitbekommen haben!“ Er trank einen Schluck Kaffee, während die Frau anfing, mit ihrem durchweichten Taschentuch herumzuspielen und an den Ecken kleine Röllchen zu drehen.
„Kommen wir doch mal zu Ihrem Bruder, Paul Linden. Wie war seine Beziehung zu Ihrem Mann?“
„Paul konnte Berti nicht ausstehen.“ Hovenbitzer guckte verletzt, und die nächsten Tränen waren in Sicht. „Wissen Sie, was mein eigener Bruder kurz nach der Hochzeit zu mir gesagt hat? ,Bei dem Kerl verblödest du ja noch mehr‘!“
„Das war unverschämt. Danach verstanden Sie sich auch nicht mehr so gut?!“
„Na ja, es ging so.“
„Haben Sie eine Ahnung, wann Ihr Bruder und Ihr Mann sich das letzte Mal gesehen haben?“
Sie zog die Stirn in Falten. „Das muss ... ja, das war Weihnachten. Am 2. Feiertag, da haben wir
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