Im Keller
das Thema: „Sie sagten bei meinem letzten Besuch, Sie hätten Hovenbitzer seit Ewigkeiten nicht gesehen ... Ihre Schwester meint aber, Sie hätten alle zusammen Weihnachten gefeiert, und zwar im Haus ihres neuen Lebensgefährten.“
Von einer Sekunde zur nächsten begann Linden ein Regal mit diversen Hygieneartikeln au fzuräumen. Mit seinen dünnen Fingern schob er hier ein Paket mit Einlagen zurecht und richtete da ein paar Schächtelchen mit latexfreien Kondomen zur Regalkante aus.
„Ja, kann sein, hab ich anscheinend erfolgreich verdrängt. Und, hab ich ihn deswegen jetzt umgebracht oder was?!“
„Glauben Sie mir, das finde ich raus!“ Arthur schoss einen letzten Pfeil ab. „Ihre Schwester nimmt ein angstlösendes Medikament, sie wollte mir aber nicht sagen, wer ihr das verschrieben hat ... können Sie mir da weiterhelfen?“
Und es geschah Seltsames in der Apotheke mitten in der Innenstadt: Paul Linden, der keinen Moment ruhig stehen bleiben konnte, erstarrte in jeder Bewegung, hielt sich an einem Regalbrett fest und bohrte seinen Blick sekundenlang wie hypnotisiert in eine Kollektion Zahnseide, bevor er, mit frostiger Stimme und ohne den Blick von der Zahnseide zu nehmen, bekannt gab: „Meine Schwester wird ihre Gründe haben, warum sie nicht darüber reden will, und ich falle ihr sicher nicht in den Rücken!“
Arthur wartete noch ein paar Augenblicke ab, aber Linden schien sich in diesem Leben gar nicht mehr rühren zu wollen. „Also gut, Herr Linden, falls ihnen noch was zu der Sache von vor 24 Jahren oder zum Tod von Hovenbitzer einfällt, melden Sie sich.“
Er legte ihm seine Karte ins Regal, verließ die Apotheke und fuhr nach Hause.
Unterwegs fielen ihm eine Menge Fragen ein: Was stimmte nicht mit dem Kerl? Wieso reagierten alle so seltsam, sobald die Sprache auf die Tabletten kam? War Hovenbitzer am Ende vergiftet und nur zur Tarnung erhängt worden? Musste Arthur sämtliche Theorien und Hypothesen neu überdenken? Zuallererst brauchte er mehr Informationen über Linden. Wo bekam er die her? Von seiner Ehefrau oder doch eher von der blonden Apothekenangestellten?
Zu Hause machte sich Arthur ein paar Würstchen heiß und setzte sich damit an den PC. G egen 20 Uhr klingelte sein Handy.
„Ja?“
„Claudia Schmitz hier ... ähm, also, meine Kinder sind dieses Wochenende beim Vater, und ich wollte Sie fragen, na ja ... ob Sie Lust hätten, heute Abend mit mir tanzen zu gehen?“
Arthur fühlte sich ein klein wenig überrumpelt. „Tanzen gehen? Jetzt noch? Ich war den ga nzen Tag unterwegs und bin ziemlich kaputt. Wie wär’s mit einem Kinobesuch?“
Claudia lachte. Ein bisschen überheblich. „Nichts für ungut, aber ich glaube nicht, dass wir den gleichen Filmgeschmack haben. Aber Sie könnten mich zum Essen einladen.“
„Dummerweise hab ich gerade was gegessen. Wenn ich gewusst hätte, dass Sie anrufen ...“
Er schwieg, und auch Claudia schwieg. Was mochte sie denken? Dass er keine Lust hatte, mit ihr auszugehen? Bevor das Gespräch völlig im Nichts versickerte, fügte er schnell hinzu: „Wie wär’s mit einer Weinstube? Ich genehmige mir ein Gläschen Wein, und Sie können was dazu essen.“
Wieder schwieg Claudia ein Weilchen, und Arthur dachte schon, es sei ihr letztes, privates Telefongespräch gewesen, als er sie plötzlich sagen hörte: „Gut, treffen wir uns im ,Fässchen‘, das ist bei mir um die Ecke, da geh ich zu Fuß hin.“
„Ok, ich bin gegen halb neun da.“
Arthur legte auf. Zum Duschen reichte die Zeit nicht, also nur ein frisches Hemd übergezogen, schnell, aber vorsichtig die Zähne geputzt, noch ein bisschen Geld eingesteckt, ab ins Auto. Am längsten dauerte natürlich die Parkplatzsuche.
Kurz nach halb neun stand er vor dem Lokal. Keine Claudia. War sie vielleicht schon hinei ngegangen? Er trat ein und schaute sich um. Sehr gedämpftes Licht, verwinkelte Räumlichkeiten zwischen alten Balken, die Nischen abtrennten. Überall massive, dunkle Holztische ohne Tischdecken. Die Wände, an denen idyllische Landschaftsgemälde prangten, größtenteils mit Holz verkleidet.
Viele Leute, Stimmengewirr, und ganz hinten in der Ecke an einem kleinen Tisch saß Cla udia. Sie winkte ihm zu, und er eilte zum Tisch hinüber. Die Art, wie sie ihm zulächelte, wie sie sogar aufstand und ihn zur Begrüßung kurz umarmte, wie warm ihre Stimme klang, das tat ihm richtig gut.
Das rotbraune, lockige Haar trug sie heute offen. Es fiel auf ihre gut gerundeten
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