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Im Keller

Im Keller

Titel: Im Keller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Lempke
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Knochen, durcheinandergewürfelt, vermutlich von den Ratten, die noch das letzte Restchen Fleisch und Knorpel abgenagt hatten.
    Aber eins war an diesem winzigen Skelett anders: der Schädel war eingeschlagen, er lag wahrhaftig in zwei Teilen im Karton. Erhebliche Gewalteinwirkung durch ein Beil vielleicht? Oder einen Schraubstock? Diese Vorstellung verbannte Arthur ganz schnell wieder aus se inem Verstand.
    Benno, in Punkto Leichen abgebrühter, gab denn auch gleich einen fast schon sachlichen Kommentar ab. „Wo zwei sind, können auch noch mehr sein.“
    Also rief Arthur die Kollegen, die oben im Haus arbeiteten, in den Keller, teilte sie für die drei Räume und den Flur ein und gab Anweisung, jede Öffnung, jedes mögliche Versteck und auch jeden ,neu‘ gemauerten Stein oder jedes ,neu‘ betonierte Stück Fußboden zu untersuchen.
    Er eilte von Raum zu Raum, um alles gleichzeitig im Auge zu behalten und ein bisschen mi tzusuchen, aber in dem Raum mit der Waschmaschine und den Leinen zum Wäschetrocknen war absolut nichts Verdächtiges zu entdecken.
    Der nächste Raum machte mehr Arbeit - hier gab es ausrangierte Möbel, einen großen, meh rtürigen Schrank mit Krempel, zwei gewaltige Regale mit Einweckgläsern, die noch mit Kirschen, Mirabellen, Gurken und reichlich unidentifizierbarem Zeug gefüllt waren. Die Etiketten waren entweder unleserlich beschriftet oder abgefallen.
    In einer Ecke rostete eine abgeschaltete Tiefkühltruhe vor sich hin, die außer einem bestial ischen Gestank nichts weiter beherbergte. Doch auch hier, in all dem Durcheinander, lauerten keine versteckten Babyleichen.
    Dann aber - Arthur befand sich gerade bei den Leuten, die den Flur absuchten - ertönte ein beinah zweistimmiger Ruf des Entsetzens: erst ein „Oh nein!“ und eine Sekunde später ein „Das ist ja mal `ne gottverdammte Sauerei!“
    Arthur hastete zurück in den Raum mit den Werkzeugen und den Gartengeräten, kam aber nur bis kurz hinter die Tür, denn alle sonst noch Anwesenden drängelten sich gleich rechts von Arthur in der Ecke. Er schob zwei Leute beiseite und sah direkt auf die beiden ovalen Farbeimer, von denen jemand die Deckel entfernt hatte.
    Der eine war zur Hälfte voll mit weißer, eingetrockneter Farbe, der andere fast bis oben hin gefüllt, aber nicht nur mit Farbe: ein kleiner, angewinkelter, nackter Arm mit winziger Hand daran schaute aus der ebenfalls vertrockneten Farbe heraus.
    Benno schien sich bereits vom ersten Schreck erholt zu haben. „Ob das Kind in der Farbe ertränkt wurde?“, fragte er sich selbst, und Brigitte fügte hinzu: „Das wird unser Doc sicher feststellen können.“
    Arthur verspürte auf einmal ein dringendes Bedürfnis nach einem anderen Umfeld ohne Le ichen und mit frischer Luft. Er fragte sich sogar, ob diese Kelleratmosphäre gut für die Lungen war.
    Kollege Günther kam mit nach oben, wo sie sich hinter das Haus in den Garten neben den Container stellten. Der große Garten war schwer zugewachsen, Bäume und Büsche blühten, ganz hinten stand ein verfallendes Gartenhäuschen. Günther steckte sich eine Zigarette an und inhalierte so tief, dass Arthur schon vom Zugucken Bro nchitis bekam.
    „Also dieser kleine Arm da in dem Farbeimer ... da musste ich fast kotzen“, brummte Günther, schaute in die Ferne und nahm noch einen kräftigen Zug.
    „Ja, so was hab ich auch noch nicht gesehen.“ Arthur sammelte sich und verbot sich, diese Szenerie allzu nah an sich herankommen zu lassen. Er wusste doch, wozu Menschen fähig waren, wenn die Gefühle mit ihnen durchgingen. Oder wenn sie so krank waren, dass sie gar keine Gefühle mehr spürten.
    Günther blies inhalierten Rauch zurück in den Himmel. „Ich frage mich, ob eine Mutter ihre Neugeborenen wirklich mit solcher Brutalität umbringen kann.“
    „Kommt auf die Mutter an. Ich frage mich, wer war die Mutter?“
    „Unsere verrückte Carmen Kirchfeld?“
    „War die nicht zu alt?“
    Günther, gute 15 Jahre älter als Arthur, ließ ein wissendes Lächeln um seine Lippen spielen. „Hast du eine Ahnung, wie viele Frauen damals Mitte oder Ende 40 noch ungewollt schwa nger wurden?“
    „Nein. Drei oder vier?“
    „Quatsch.“ Günther ließ die Zigarette auf die Wiese fallen und trat sie aus. „Es ist ihr Haus, warum sollte sie nicht die Mutter sein? Viel interessanter ist doch, wer ist der Vater?“
    „Ja ... vielleicht Dornsiefer? Oder Linden? Oder gar der ermordete Hovenbitzer? Oder alle drei? Drei Kinder, drei

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