Im Keller
blutgetränkt. Was war hier passiert?!
„Und? Hab ich übertrieben?“ , erkundigte sich Benno mit strengem Blick und zeigte ihm noch einen Riesenblutfleck auf der Arbeitsplatte, gleich
neben dem eisernen Schraubstock.
Blut neben Schraubstock. Das weckte in Arthurs Hirn Assoziationen, die er schnell beiseite schob. Zurück blieb ein Hauch von Grauen, eine Ahnung, dass hier unten tatsächlich unsägliche Dinge geschehen sein könnten. Unauffällig fasste er sich an den Hals. Da saß ein Gefühl, als drücke ihm jemand die Kehle zu. Er räusperte sich mehrmals, ohne dass das Gefühl ganz verschwand.
„Kann man denn mit den uralten Blutspuren hier noch was anfangen?“ , fragte Arthur und wandte sich wieder den Kollegen zu.
„Das will ich doch hoffen. Was meinst du, Penelope?“
,Penelope‘, die noch vor der Kiste kniete, holte eben ein kariertes Sitzkissen heraus, das schon Schaumstofffüllung verlor.
„Ich de nke, da wird was zu machen sein“, murmelte sie, legte das Kissen beiseite und griff nach einer gut erhaltenen Supermarktplastiktüte, in die etwas von der Größe einer Honigmelone eingewickelt war. Als sie die Tüte hochnahm, fielen im Innern mehrere kleine Teile durcheinander ... es klang nach dünnen, kurzen Holz- oder Bambusstäben. Sie drehte die Tüte, die am oberen Ende mit einer Kordel zusammengeschnürt war, vorsichtig ein wenig hin und her und deutete auf das ausgefranste Loch in der Tüte, durch das etwas Kleines, Dünnes, Elfenbeinfarbenes zu sehen war: „Ratten.“
„Wie sind denn Ratten in die Kiste gekommen?“ , fragte Arthur.
„Schau nach, ich wette, die haben sich irgendwo durchs Holz genagt.“
Arthur verrenkte den Hals und tatsächlich - an der hinteren Ecke, fast an der Wand, ganz nah über dem Boden, hatten sich die Biester durch die Kiste gefressen. Für einen Moment schöpfte sein Hirn Hoffnung: vielleicht stammte das viele Blut von Ratten, die Kirchfeld hier unten massakriert hatte!
Brigitte hielt die Plastiktüte in die Höhe und schüttelte sie leicht. Es klapperte. „Benno, w onach hört sich das für dich an?“
„Eindeutig Knochen.“
„Allerdings. Und ich hab ein ganz ungutes Gefühl im Bauch“, weihte Brigitte ihre Umgebung ein.
Arthur hatte auf einmal wieder dieses Würgen im Hals. Brigitte und ein ungutes Gefühl im Bauch? Das klang übel. „Du meinst, da sind keine verendeten Ratten drin?“
Brigitte sah ihn durch die Brille müde (psychisch müde, nicht physisch) an. „Warum sollte jemand Rattenknochen in einer Plastiktüte aufheben? Und die dann auch noch in einer Kiste verstecken?“
Sie legte die Tüte auf einer Plastikfolie ab, die Benno neben ihren Knien ausgebreitet hatte, ließ sich eine Schere geben und schnitt die Supermarkttüte der Länge nach auf.
Zuerst kamen kurze, leicht gebogene Knochen zum Vorschein, dann ein kleiner Brustkorb aus gut erhaltenen Rippen und dann ein runder Schädel von der Größe einer dicken Apfels ine. Nein, das war kein Rattenschädel. Auch keiner von Katze oder Hund. Es half alles nichts: die schreckliche Wahrheit lag vor ihm.
„Das war mal ein Säugling, oder?“ , murmelte er. Noch eine Leiche in diesem Haus. Die Dinge verkomplizierten sich.
„Wahrscheinlich “, antwortete Benno und starrte auf einmal die Kaminklappe in der Wand hinter Arthur an. „Ich schlage vor, wir gucken da auch mal rein.“
„Bitte, nach dir.“ Arthur trat zur Seite und ließ Benno an die Klappe, die ungefähr einen M eter über dem Boden in die Wand eingelassen und mit einem Riegel versperrt war, der erbärmlich quietschte, als Benno ihn zurückschob.
Schlagartig schien sich die Atmosphäre im Kellerraum anzuspannen. Niemand sagte ein Wort. Benno machte das Metalltürchen auf. Noch ein schrilles Quie tschen.
Die Längsseite eines Schuhkartons wurde sichtbar, mit stilisierter roter Raubkatze im Sprung auf weißem Grund. Im unteren Viertel allerdings sah der Karton gar nicht gut aus: unrege lmäßige, rötlichbraune Verfärbungen, als sei unten im Karton etwas ausgelaufen, aber seit Jahrzehnten schon angetrocknet.
Stille wie in der Kirche. Benno nahm mit zwei Händen den Karton aus der Öffnung und trug ihn zur Werkbank, als sei er mit Nitroglyzerin gefü llt. Was sofort auffiel, waren die durch die Pappe gefressenen Löcher im Deckel. Wieder die Ratten. Also musste auch im Karton etwas gewesen sein, das Ratten mochten.
Verdammte Scheiße.
Benno hob den Deckel des Kartons ab und alle schauten hinein: wieder kleine
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