Im Keller
langen Regalen aufbewahrt wurden. Es dauerte gute 15 Minuten, bis die Akte ,Ursula Kirchfeld‘ geborgen war.
„Auf lange Sicht wollen wir die ganzen Akten in unseren Computern speichern, aber das dauert natürlich“ , erklärte Müller-Mayer, studierte, was Uschi Gerber, damalige Kirchfeld, an einem Novembertag vor rund 24 Jahren zugestoßen war.
Dann fasste er zusammen: „Ja also, sie hat angegeben, dass sie zusammen mit einer Freundin abends im Keller Wäsche aufhängte, als an der noch laufenden Waschmaschine der Ablaufschlauch platzte, woraufhin Seifenlauge auslief. Sowohl Frau Kirchfeld als auch die Freundin rutschten in der Lauge aus, und die Kirchfeld fiel mit dem Kopf seitlich genau auf die Ecke der Waschmaschine. Die Freundin stürzte zu Boden und knackste sich die Hüfte an. Ursula Kirchfeld erlitt einen Schädelbruch, wobei Knochensplitter das Innenohr schwer beschädigten, was zu erheblichem Hörverlust führte.“
Arthur gefiel das alles nicht wirklich. „Wie hieß die Freundin?“
„Hier steht nur Frau Schäffler, warten Sie mal, ich such ihre Akte raus.“ Müller-Mayer kramte in den Kartons und zerrte einen blauen Papphefter ans Licht. „Da haben wir sie ja. Die Frau heißt Simone Schäffler, und hier steht das gleiche wie bei der Kirchfeld. Allerdings wurde ihre Hüfte damals nicht operiert, weil man meinte, das sei nicht nötig. Aber dann wuchs das alles wohl doch nicht so problemlos zusammen wie gedacht, und die Frau hinkte von da an leicht, wollte sich aber nicht mehr operieren lassen. Und was hat das jetzt alles mit Ihren Mordfällen zu tun?“
„Das, Herr Professor, muss ich noch rausfinden.“ Arthur streckte die Hand aus. „Kann ich die mitnehmen, oder soll ich mir Kopien machen?“
Der Professor war sich auch fürs Kopieren nicht zu schade.
Eine Viertelstunde später war Arthur auf dem Weg zu Gynäkologin Dr. Kregel, bei der Uschi Gerber anscheinend eher unregelmäßig alle paar Jahre auftauchte. Es ging in den Westen der Stadt, zu einer kurzen Geschäftsstraße, in der Parkplätze natürlich Mangelware waren.
Wieder musste Arthur ein Stück laufen, bis zu einem großen Haus: unten ein Gemüseladen, daneben ein Buchladen, darüber zwei Arztpraxen, die an der Seite einen eigenen Eingang hatten. Die Arzthelferin schien nicht eben begeistert über Arthurs Anliegen. Er durfte auf einem Stuhl im Flur Platz nehmen, denn das Wartezimmer war bereits überfüllt.
Zehn Minuten später saß Arthur im Sprechzimmer der Ärztin, einer Frau um die 50 mit du nkelbraun gefärbtem, kurz geschnittenem Haar, mit tiefen Falten zwischen Nase und Mund und mit schwarzen, etwas unfreundlichen Augen.
„Was wollen Sie denn nun wissen?“ , fragte sie ungnädig und verschränkte die Finger.
Arthur bemühte sich, nett zu sein, lächelte charmant und spielte den Ahnungslosen. „Bei einer gynäkologischen Untersuchung kann man doch feststellen, ob eine Frau schon mal ein Kind geboren hat, oder?“
„Im Allgemeinen ja.“
„Und wie sieht es damit bei Frau Gerber aus?“
Überraschenderweise wechselte der Ausdruck der Kregel von ungnädig zu nachdenklich. „Das war schon eigenartig. Als sie das erste Mal bei mir war, vor -“, sie warf einen Blick auf den ultraflachen Monitor auf ihrem Schreibtisch, „etwa 15 Jahren, hab ich sie nach Kindern gefragt, aber sie behauptete, sie habe keine. Bei der Untersuchung sah das aber anders aus: sie hat auf jeden Fall mehr als ein Kind geboren. Und die Eierstöcke waren beide vernarbt, was auf schwere, nicht behandelte Entzündungen hinweisen kann. Ich sprach sie darauf an, aber sie bestritt hartnäckig, jemals ein Kind bekommen oder eine Unterleibsentzündung gehabt zu haben.“
„Danke, das hilft mir außerordentlich weiter!“ , freute sich Arthur. „Ist Ihnen sonst noch was Ungewöhnliches an der Frau aufgefallen?“
„Sie ist fast taub auf einem Ohr.“
„Ja, das weiß ich.“ Arthur schenkte der Frau, die für ihr Alter noch recht gut in Schuss war, ein strahlendes Lächeln (natürlich ohne die Zähne zu zeigen), und sie schmolz dahin wie Schokoladeneis in der Sonne.
„Frau Gerber ist unheimlich verschlossen“ , gab die Kregel preis. „Die erzählt nichts, jedenfalls nicht von sich aus, der muss man jede Info einzeln aus dem Hirn brechen.“ Ein tiefer Blick aus dunklen Augen.
In diesem Moment schoss Arthur eine Erinnerung durch den Kopf , hinab bis in den Unterleib: er mit Claudia auf ihrem Schlafsofa, ihre Hand in seiner Hose, seine Lippen
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