Im Keller
Lächeln, „aber wo Sie schon mal dabei sind, können Sie nicht auch gleich die Couchgarnitur in den Container werfen?“
Kaufmann lächelte mit angedeutetem Spott in den blauen Augen zurück. „Sie sind ja sehr praktisch veranlagt! Gut, bei zwei Kindern muss man natürlich mit jedem Euro rechnen.“
„Ach, von wem wissen Sie das denn?“
„Na von Arthur!“
Oh Gott! Prahlte der Kerl etwa überall damit herum, wie schnell er sie ins Bett gekriegt hatte?!
Als hätte Kaufmann ihre Gedanken gelesen, vertraute er ihr mit einem Zwinkern an: „Wir mussten Sie doch auch überprüfen. Aber glauben Sie mir, Arthur ist, was bestimmte Dinge angeht“, er zwinkerte ihr tatsächlich ein zweites Mal zu, „einer der verschlossensten Menschen auf diesem Erdball. Aber“, fügte er bedauernd hinzu, „wir sind nicht dafür da, alte Möbel zu entsorgen.“
Schade. Vielleicht konnte ihr Arthur dabei helfen. Falls er überhaupt noch etwas mit ihr zu tun haben wollte.
Die Führung durchs Haus ging weiter, und Kaufmann plauderte angeregt über die Spurensuche in früheren Fällen, als seien sie alte Bekannte. Als sie oben einen Blick ins Bad warfen, hörte Claudia ihm vorübergehend nicht mehr zu, denn als sie den verklebten Spiegel sah, stellten sich ihr wieder die Haare auf den Unterarmen auf. Das ganze Haus war durchtränkt von einer Atmosphäre der Trostlosigkeit und des Wahnsinns. Was für Dramen mochten sich hier abgespielt, was für ein elendes Leben mochte Tante Carmen hier geführt haben?
„Ist Ihnen nicht gut, Frau Schmitz?“ , hörte sie Kaufmann fragen.
„Doch, doch. Ich frage mich gerade, ob ich das alles hier hätte verhindern können.“ Sie seuf zte. „Aber Tante Carmen wollte ja nicht, dass ich mich um sie kümmere, sie war da sehr abweisend.“
„Glauben Sie mir, manche Dinge kann man nicht verhindern.“ Kaufmann klang ernst. „Ger ade Menschen, die in einem Wahn leben, lehnen oft jede Hilfe strikt ab.“
„Ich weiß.“ Claudia verließ das Bad und ging hinüber zum Schlafzimmer, in dem, wie in fast allen Räumen, noch andere Spurensucher am Werk waren. Auch hier ein Loch im Boden, eins in der Wand. Aber immerhin waren die Zeitungsberge fast abgetragen.
Eine kleine, pummelige Frau im weißen Overall, mit der gleichen Brille wie Kaufmann, drehte sich eben um. Er deutete auf sie. „Das ist unsere Clementine. Gibt’s was Neues?“
Die Frau schüttelte den Kopf, ignorierte Claudia, ließ sich auf ein Knie nieder und klopfte mit einem Gummihammer den Boden ab.
„Wonach suchen Sie eigentlich?“, flüsterte Claudia. Sie wollte niemanden stören.
Kaufmann sprach in normaler Lautstärke. „Nach weiteren Geheimverstecken. Wir haben Hinweise darauf, dass hier irgendwo was versteckt ist, das den Fall aufklären könnte.“
„Ach wirklich?“ Claudia fand das, auf unheimliche Art und Weise, spannend.
Als sie wieder unten im Hausflur standen, schien Kaufmann sie langsam aber sicher zum Ausgang bugsieren zu wollen. Aber Claudia war noch nicht fertig und wurde widerspenstig.
„Ich würde mir gerne noch den Keller ansehen“, verlangte sie und rührte sich nicht von der Stelle.
Kaufmann sah ihr forschend in die Augen. „Warum wollen Sie sich das antun? Sie wissen doch von den Leichen da unten, oder?“
Durfte sie das zugeben, ohne dass Arthur Ärger bekam? Andererseits, wenn er sowieso kein Interesse mehr an ihr hatte, warum sollte sie dann Rücksicht nehmen? „Ja, Arthur hat mir das eine oder andere erzählt. Aber was glauben Sie, was ich als Krankenschwester schon alles gesehen hab! Da würde sogar Ihnen übel werden!“
Kaufmann schaute sie mit fragend erhobenen Augenbrauen an und öffnete den Mund, ließ sich aber dann doch auf keine Diskussion ein. „Ok, kommen Sie mit, auf eigene Verantwo rtung.“
Himmel noch mal, der Mann tat so, als sei der Kellerboden mit zerstückelten Leichen gepfla stert! Sie folgte Kaufmann die Treppe hinunter: unebene Natursteinstufen, glatt, unterschiedlich hoch. Hinunter in ein fensterloses Gewölbe, alles erbaut aus diesen unregelmäßigen Natursteinen, die an manchen Stellen verputzt waren. Nackte, nicht sehr helle Glühbirnen an der Decke über der Treppe und im Flur. Ein Geruch nach ... fauligem Holz?
Und wie der Blitz fuhr plötzlich eine Erinnerung in ihr Gehirn: Sie war 15, Cousin Clemens 27. Damals, vor vielen Jahren, waren sie gemeinsam in diesen Keller gestiegen. Diese gefährliche Treppe hinab, in diesem fahlen Licht, und es war genauso
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