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Im Keller

Im Keller

Titel: Im Keller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Lempke
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mir die Decke über den Kopf gezogen und gedacht, eigentlich kann doch niemand auf dem Dachboden sein, die Tür war abgeschlossen, und ich hatte den Schlüssel gut versteckt!
    Stundenlang lag ich wach, lauschte immer wieder mit angehaltenem Atem, aber es war nichts mehr zu hören. Ich fing an, mir einzur eden, dass ich mir alles nur eingebildet hatte ... oder dass das Geräusch von ganz woanders her gekommen war, vielleicht von einem vom Schnee gebeugten Ast, den der Wind über die Dachziegel gepeitscht hatte.
    Wahrscheinlich ließ mich dieser Gedanke irgendwann doch einschlafen, aber am nächsten Morgen ging es mir sehr schlecht. Ich fühlte mich von bösen Mächten bedroht.
    Deshalb eilte ich nach einem späten und sehr ungesunden Frühstück zu meinem Lieblings-Antiquitätenladen, wo ich nach längerer, geradezu verzweifelter Suche einen Anhänger aus Mondstein in Halbmondform fand und kaufte. Schon als ich ihn sah, Theo, wusste ich, das es ein magischer Anhänger ist, und als ich ihn trug, fühlte ich mich gleichzeitig beflügelt, von großem Trost erfüllt und beschützt!
     
    Aber heute ... ich weiß nicht, das Gefühl nimmt immer mehr ab, und ich frage mich, ob es denn überhaupt ein teures Schmuckstück sein muss, das magische Kräfte hat. Was, wenn die Magie gerade im Einfachen und Banalen liegt? Was, wenn es einen magischen Gummihandschuh gibt oder ein magisches Stofftier oder ein Wasserglas?
    Ich werde zunächst die Dinge ausprobieren, die ich im Haus habe. Ich bin sicher, dass Gott und du mir schon ein Zeichen geben werdet, welches der richtige Gegenstand ist, der mir Trost und Kraft gibt. Den ich auch dringend brauche, denn heute habe ich drei Anrufe b ekommen, und nie hat sich jemand gemeldet. Das macht mir Angst. Irgendjemand will etwas von mir, und ich weiß nicht, was und warum!
    Seit Wochen schon höre ich nachts immer wieder Geräusche vom Dachboden und aus dem Keller und aus dem Garten. Ich zittere manchmal am ganzen Körper und wage mich nicht einmal zur Toilette, also habe ich mir einen Eimer ins Schlafzimmer gestellt. Theo, das ist so unwürdig!
    Und die Suche nach magischen Gegenständen nimmt enorm viel Zeit in Anspruch. Ich probiere alles aus, was im Haus ist. Ich brauche ihn. Nicht nur als Schutz gegen das, was mir hier nachts durchs Haus geistert - sondern weil ich heute Nacht geträumt habe, ich könnte mit dem richtigen, magischen Wunderding Clemens wieder zum Leben erwecken!
    Aber ich konnte nicht erkennen, was es war - für mich ist dies das Zeichen, dass ich nicht au fgeben und weitersuchen soll.
     
    Simone und Uschi haben mich besucht.
    Uschi läuft immer noch mit einem Verband über ihrem Ohr herum. Sie macht den Eindruck, als sei sie noch nicht wieder ganz in der Welt angekommen. Sie scheint auch Schwierigke iten zu haben, sich an den Abend des 6. November zu erinnern. Was ich verstehen kann.
    Simone humpelt noch ein bisschen und macht ständig ein besorgtes Gesicht. Mir fällt auf, dass sie nicht mehr ganz so stark geschminkt ist, der dicke, schwarze Lidstrich ist sehr dezent geworden, der Rock nicht mehr ganz so kurz, der Ausschnitt ihres blutroten Pullis nicht mehr ganz so tief.
    Sie erzählt aber nichts darüber, wie es ihr geht, was sie fühlt, wie sie mit ihrer Schuld fertig wird (aber vielleicht fühlt sie sich gar nicht schuldig!). Nein, stattdessen fragt sie, wo die Leiche ist.
    Da reicht es mir, und ich erzähle ihr die Geschichte, dass ich zusammen mit H ovenbitzer in die tiefste Eifel gefahren sei, um dort den Leichnam zu vergraben. Sie guckt entrüstet, sagt aber nichts dazu. Stattdessen fängt sie an herumzunörgeln, wie es denn bei mir im Haus aussähe, der ganze Krempel und der ganze Müll, da müssten wir doch mal gemeinsam ausmisten.
    Da ist mir aber, lieber Theo, der Kragen geplatzt, und ich hab die beiden aus dem Haus g eworfen!
    Ich hab mich so aufgeregt, dass ich wieder zu viel getrunken hab. Und am nächsten Morgen, als ich in den Spiegel gucke, war ich so angewidert von mir selbst, von dieser alten, hässl ichen, saufenden, mordenden Frau, dass ich alle Spiegel im Haus zugeklebt hab - ich will mich selbst nicht mehr sehen! Ich kann mich nicht mehr ertragen! Was bin ich nur für ein elendes Stück Dreck!
     
    Der Frühling ist da, und mir ist es egal. Gott hat mir diesen Trödelladen gezeigt, in dem ich Dinge finde.
    Dort kaufe ich alles mögliche Zeug, um es auszuprobieren. Ich trage es zum Beispiel in der Hosentasche mit mir herum oder stelle es auf einen

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