Im Keller
waren Simone und Uschi bei mir. Simone im ,Arbeitsoutfit‘: enge, schwarze Hose, knallrotes T-Shirt, aber flache Schuhe und rosa Gummihandschuhe, damit ihren lackierten Krallen nichts zustößt.
Uschi dagegen das reinste Aschenputtel. Auch sie hat zugenommen, läuft aber immer noch ungeschminkt durch die Gegend. Fehlt nur noch der graue Kittel und ein graues Kopftuch auf den grau werdenden Haaren.
Aber sie haben für mich eingekauft, Geschirr gespült und aufgeräumt, doch nur in der Küche. Alle anderen Räume, auch den Keller, habe ich abgeschlossen. Die beiden müssen nicht überall rumschnüffeln! Wer weiß, für wen sie mich ausspionieren sollen!
Ich fragte die beiden, was sie in den letzten Jahren so erlebt hatten. Simone war längst ve rheiratet, hatte zwei Kinder und war mit Leib und Seele Hausfrau. Uschi erzählte, sie war auch verheiratet gewesen, inzwischen aber geschieden. Sie ging putzen und arbeitete auch noch als Kassiererin.
Ich war wie vor den Kopf gestoßen. Wie kannst du heiraten, wo du doch mit Clemens verhe iratet bist?!
Uschi sah mich an, als wäre ich völlig verrückt geworden. Aber weißt du denn nicht mehr? Wir haben ihn doch damals, nach den fünf Jahren, für tot erklären lassen!
Dazu hab ich ja wohl auch was zu sagen!
Hast du ja auch! Du hast doch mit unterschrieben! Weißt du das nicht mehr?!
Nein, Theo, ich erinnere mich nicht an irgendeine Toterklärung oder irgendeine Unterschrift. Ich glaube, die beiden haben mich schon wieder reingelegt!
Dafür werde ich sie verfluchen! Ja, ich weiß, wie das geht: ich brauche nur die alte zerfranste Zahnbürste in den Blumentopf mit der Erde vom Friedhof zu stecken und schon wird Unglück über die beiden kommen! Ich habe es am eigenen Leib erlebt!
Heute morgen hat Simone für mich eingekauft. Sie erzählte mir hinterher, dass Uschi fast eine Woche mit schwerer Grippe im Bett gelegen hat, und sie selbst hatte einen fürchterlichen Streit mit ihrer Tochter.
Ich dachte nur: das geschieht euch recht! Und es wird euch noch schlimmer treffen! Ihr habt mich dazu getrieben, etwas zu tun, was ich nicht tun wollte!
Theo, Theo, ich bin gefangen! Ich hab´s zu spät gemerkt. Gefangen. Ausgeliefert. Mein Kopf kommt nicht los davon ... ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll.
Clemens muss leben! Er muss! Er muss!
Ich halte das kaum noch aus. Ich höre seine Stimme. Manchmal schreie ich, manchmal tobe ich, manchmal bete ich. Ich weiß, dass ich magische Kräfte habe, durch die Objekte. Aber das eine, das eine fehlt!
Gestern hat mir eine Muschel verraten, dass Simone mich vergiften will. Ich muss aufpassen, was ich esse. Ja, ständig aufpassen. Man ist von Feinden umgeben! Die Nachbarn beobac hten mich rund um die Uhr. Neuerdings kommt auch ein anderer Postbote, der wahrscheinlich in Wirklichkeit gar keiner ist.
Ob Simone dahinter steckt? Oder doch Uschi, die immer so verängstigt und leicht verblödet tut? Oder alle beide?
Da, jetzt klopft es wieder! Es kommt von oben, aus meinem Schlafzimmer. Jedes Mal setzt mein Herz aus, jedes Mal denke ich, Clemens ist auferstanden, und Theo - das erfüllt mich nicht nur mit Freude. Dieser Zwiespalt! Diese Zweifel!
Ein zweites Klopfen! Ich werfe den Stift hin und laufe nach oben. Nein, es war nicht Cl emens. Du würdest sagen, es war vielleicht die Heizung. Aber ich befürchte, ich habe etwas Schlimmes heraufbeschworen.
Theo, um Gotteswillen, hilf mir! Ich sitze in meinem Bett und schreibe in mein Heft, und nun ist der Strom ausgefallen!
Ich höre es rund um mich her flüstern! Sie beobachten mich und wollen mich furchtbar b estrafen! Auch über mir, auf dem Dachboden ist irgendwas, es kriecht und schlurft hin und her! Der eine Fächer hilft nicht mehr! Ich muss ein Dutzend aufhängen! Mindestens!
Ich werde jetzt das Heft weglegen und mich unter der Decke verkriechen.
Gott, was war das denn für ein Geräusch! Ich werde wahnsinnig! Theo, mach was!
Danke, das Licht ist wieder da, und ich hab getan, was du gesagt hast. Das Bett steht nun in der Mitte des Zimmers, weg von allen Wänden, und ich habe auch schon einen Schutzwall aus Zeitungen und magischen Gegenständen gebaut. Die Decke ist abgeschirmt mit vielen Fächern und Heiligenbildchen.
Was war das jetzt wieder?! Es kommt aus der Wand zum ehemaligen Kinderzimmer, so ein komisches Schleifen und Kratzen. Gott, was kann ich tun?! Was kann ich tun?!
Ich habe es getan. Ich habe mir ein Messer geholt, mir in alle Fingerkuppen
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