Im Kerker der schönen Justine
besondere Person.
Man konnte nicht wirklich von einer verantwortungsvollen Blutsaugerin sprechen, sie holte sich auch ihre Nahrung, aber sie stand nicht auf der Seite ihrer Artgenossen oder Artgenossinnen, sie hatte ihren eigenen Weg eingeschlagen und sich dabei auf unsere Seite gestellt. Sogar das Leben hatte sie mir gerettet, aber nicht, weil sie mich so mochte, dafür gab es pragmatische Gründe, denn ihr Todfeind war auch zugleich der unsere.
Will Mallmann, alias Dracula II!
Justine Cavallo träumte ebenso davon, ihn zu vernichten wie ich auch. Leider war es uns bisher nicht gelungen, und so stand die Auseinandersetzung noch immer unentschieden.
Auch wenn Justine Suko und mich hin und wieder als Partner bezeichnete, so weit wollte ich es nicht kommen lassen. Sie war höchstens eine Verbündete, aber keine Partnerin.
Ob sie uns in diesem Fall helfen konnte, stand nicht fest. Die blutleeren Leichen waren ja nicht von Vampiren hinterlassen worden, aber ich kam nun mal nicht von dem Gedanken los, dass diese Blutsauger auch mit Vampiren in Verbindung standen, und da konnte uns die Cavallo möglicherweise helfen. Vorausgesetzt, sie hatte Lust dazu und wusste auch mehr über die Fälle.
»Setzt du voll auf sie?«, fragte Suko.
»Im Moment schon.«
»Tja, ich weiß nicht... irgendwie hat der Fall eine andere Drehung bekommen, finde ich.«
»Wieso?«, wollte ich wissen.
»Für mich ist da jemand der Blut sammelt. Der sich einen Vorrat anlegen will. Aber nicht, um ihn zu verkaufen, sondern um ihn selbst zu benutzen. Da kannst du jetzt lachen oder nicht.«
»Ich werde mich hüten.« Vor einem Kreisverkehr stoppte ich. »Aber wo würdest du ansetzen?«
Suko deutete ein Schulterzucken an. »Das kann ich dir leider nicht sagen. Ich hoffe, dass die Unterlagen etwas hergeben, die Tanner uns zukommen lassen will. Möglicherweise existiert eine Verbindung zwischen denjenigen, die blutleer gefunden wurden. Es wird zwar eine große Sucherei geben, aber was sollen wir machen?«
»Stimmt genau.« Ich ordnete mich in den Kreisverkehr ein und fragte meinen Freund, ob er lieber ins Büro fahren wolle, um die zugefaxten Berichte zu studieren.
»Nein, nein, auf keinen Fall. Das können wir nach unserem Besuch erledigen.«
»Wie du willst.«
Jane Collins und die Cavallo wohnten im Mayfair in einer der ruhigen Straßen, in denen das moderne London noch keine Spuren hinterlassen hatte. Da standen keine Hochhäuser mit Glasfassaden, mit denen sich die Architekten ihre Denkmäler gesetzt hatten. Dort konnte man noch etwas von dem alten London einatmen.
Der Winter war vorbei. Der Frühling hatte zugeschlagen und die Bäume wieder mit dem frischen Laub gefüllt. Nur hatte sich in den letzten Tagen die Sonne zurückgezogen und den Weg frei gemacht für eine nördliche Kälte, die wie ein Ungeheuer über das Land gekommen war und den Frühsommer vergessen ließ. Durch das dichte Laub wirkte die Straße noch dunkler. Auf ihr glänzte noch ein feuchter Regenfilm, und ich fand auch hier einen Parkplatz. Zwar stand der Wagen leicht schräg, doch das machte mir nichts. Wer auch immer hineinschaute, er würde das Blaulicht auf der Ablege direkt vor der Windschutzscheibe sehen.
Wir stiegen aus und wie so oft bei unseren Besuchen waren wir bereits gesehen worden. Nicht Justine Cavallo hatte die Tür geöffnet, um uns auf der Schwelle zu erwarten, sondern Jane Collins, die uns lächelnd entgegenschaute, als wir den mit Blumen bestückten Vorgarten durchschritten.
Jane sah aus wie der frische Frühling. Zu hellblauen Jeans mit den Perlen-Applikationen an den Außenseiten trug sie ein weißes Sweatshirt mit einer gelben Sonne als Aufdruck. Die Sonne hatte sogar ein lachendes Gesicht bekommen, ein übergroßer Smiley. Jane hatte ihre blonden Haare nach hinten gekämmt und sie leicht gegelt.
»Da denkt man an nichts Böses, und plötzlich ist es mit der Ruhe des Tages vorbei«, sagte sie zur Begrüßung.
»Ja, wir sind immer für Überraschungen gut.«
»Kommt rein.«
Das hatte Zeit. Ich wollte Jane begrüßen und küsste sie erst mal auf beide Wangen. Dabei nahm ich den frischen Duft ihres Parfüms wahr.
»Du riechst gut.«
»Ja, im Gegenteil zu dir.« Sie fing an zu schnüffeln. »Darf man fragen, wo du dich herumgetrieben hast.« Sie stieß mich zurück. »Was da in deinen Klamotten hängt, ist ja eklig.«
»Du sagst es.«
»Dann gibst du es zu, dass du dich unter alten Brücken oder Kanälen herumgetrieben hast.«
»Ja, zusammen
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