Im Kettenhemd (German Edition)
würden.
Dietrich schaute zum Himmel und empfand die Wolkenbilder als Heerscharen, die mit Riesen kämpften. Einige waren wie Gesichter, und es schien ihm sogar, als würde er in einem seinen Vater erkennen, der, wie er hoffte, auf ihrem Gut im Hessischen sein Auskommen hatte. Als er seine Familie verlassen hatte, um in der Fremde ein neues Vermögen zu gewinnen, waren auch seine Geschwister und das Gesinde knapp mit Nahrung, und der letzte strenge Winter hatte ihnen allen gehörig zugesetzt. Dieser Sommer war, Gott sei Dank, nun recht mild und die Ernte sollte schon gut im Halm stehen. Er dachte, wenn er diesen Feldzug gesund überstehen könne und dann auch noch gute Beute erringe, würde er zu ihnen zurückkehren, und alle Sorgen wären beendet. Seine jüngeren Schwestern könnten heiraten und er würde dem Vater ein ruhiges Leben auf dem Altenteil bieten können. Als er noch seinen Gedanken nachhing, wurde er jäh wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.
Ulrich von Lechtenberg war an seine Seite geritten und forderte als Anführer der leichten Reiterei den Beginn des Angriffs.
»Baron von Seidenpfad«, rief er, »wenn wir mit unserem Angriff noch länger warten, könnten die sich in der Mitte verschanzen, und wir hätten es doppelt schwer! Ich kann meine Männer auch kaum noch zurückhalten.«
»Ganz ruhig, Herr Ulrich«, entgegnete Dietrich. »Wir sind von hier aus schnell am Feind und dann können Eure Berittenen zeigen, wie sie sich schlagen.« Verbindlich legte er dem Lechtenberger seine Hand auf den Arm und schaute ihn mit einem Lächeln an. »Begebt Euch auf Eure Position und achtet auf das Signal. Haltet Euch als zweite Welle mit etwas Abstand hinter den schweren Rittern und verhindert, dass wir eingeschlossen werden«, sprach er mit freundlicher Stimme. Von Lechtenberg verneigte sich artig und tat wie ihm geheißen. Er war etwas unsicher ob der milden Worte, freute sich aber dennoch über die ansteckende Ruhe des Anführers.
Dietrich hatte angeordnet, dass die Palisade erst weggerissen werden solle, wenn die Reiterei angetrabt sei. Er winkte die Herolde heran und ließ die Fackeln als Angriffssignal entzünden. Seine Ritter formierten sich und trabten dann in Keilformation an. Die soeben aufgehende Sonne im Rücken, wurden die Pferde mit den schwersten Schanzkleidern allen voran geritten. Die auf ihnen sitzenden Ritter waren mit eingelegter Lanze ein Rammsporn, dem nichts widerstand. Kurz darauf ertönten die Hörner, und die versteckten Reiter trieben ihre schweren Halbblüter an, um die Schanze wegzureißen. Die Palisade war kaum besetzt, denn die Kämpfe tobten ja bereits zu beiden Seiten des Lagers. Die englischen Ritter konnten zu diesem Zeitpunkt nicht wirkungsvoll eingesetzt werden, denn die zurückdrängenden Scharen versperrten ihnen den Weg. Mit lautem Krachen brach die hölzerne Befestigung auseinander und wurde von den starken Tieren nach beiden Seiten weggezogen. Wie ein großes, weit geöffnetes Tor lag nun die Bresche vor den heranstürmen Rittern.
Die noch tief stehende Sonne beleuchtete den Ort mit ihren ersten Strahlen fast theatralisch. Stünden sie nicht im Kampfe, so wäre der Idylle nichts hinzuzufügen. Die so Angegriffenen blickten nun genau in die Sonne hinein und es sollte für sie nicht besser werden. Die wenigen Verteidiger schlugen sofort Alarm und etwa dreißig Bogenschützen schossen auf die herannahenden Ritter. Die schweren Platten der Rüstungen hielten jedoch diesem Beschuss stand, und so erreichten die ersten Français ohne Verluste die weit geöffnete Stelle, an der sich noch vor einer Minute die Palisade befunden hatte. Der kleine Sandwall war schnell überwunden und je mehr Pferde darüber ritten, umso flacher wurde er.
Junker Jörg und Cedric jagten mit ihren Hengsten an der linken Seite der Formation entlang und hatten es auch bald mit einigen Fußsoldaten der Engländer zu tun, die sie mit Speeren angriffen. Jörg hatte bereits zwei der Kerle mit dem Streithammer erwischt, als der Rest von dem nachdrängenden Reiterkeil einfach überritten wurde. Die englischen Ritter erkannten nun, was die Stunde geschlagen hatte, und drehten ihre Pferde auf die Angreifer zu. Sie versuchten so schnell, wie es eben noch ging, ihre Formation zu bilden und in den Trab zu kommen.
Links der englischen Reiterei kämpften die Soldaten der Abteilungen unter von Bingen mit den sich immer noch verbissen wehrenden englischen Schwertknechten. Es war ein schlimmes Hauen und Stechen,
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