Im Kettenhemd (German Edition)
gewaltiger Feuerstrahl entfuhr den Mörsern, und der Abschuss ließ sie um etwa zehn Fuß zurückspringen.
Die erste Salve schlug in die granitbewehrten Türme ein. Steinbrocken und Holzsplitter krachten zu Boden und rollten dann fast bis an die ersten Weidenschanzen. Die Bauern der Umgebung waren sehr geschickt im Umgang mit den hier überall wuchernden Weidenruten, und so war es nur billig, sie für den Schanzbau heranzuziehen. Mittlere Steine und sogar Pfeile konnten diese Wände aufhalten.
Das nach den Einschlägen entstandene Chaos nutzten die Marburger Kanoniere sogleich zum Kühlen der Rohre. Nasse Lumpen wurden über die Rohre geworfen, um sie schnell wieder feuerbereit zu bekommen. Kühlt man nicht genug, könnte sich frisches Pulver entzünden.
Die Bogenschützen der Piraten nahmen unterdessen die Eisenhüte auf der Wehranlage unter Beschuss. Dort stand es sicher nicht zum Besten, denn wieder und wieder schlugen Feuerbrände weiter oben in der Burgstadt ein. Alles, was löschen konnte, war hier konzentriert.
Lord Eshby selbst befehligte die Garnison bei der Verteidigung der westlichen Mauern. Hier hatten die Soldaten der Français inzwischen die Sturmleitern an die Feste gelegt. Dem hageren Mann mit der Hakennase und den stechenden Augen stand die Anspannung ins Gesicht geschrieben, als er selbst auf dem westlichen Wehrgang einigen aufenternden Franzosen gegenüberstand. Seine Leibgarde, die berüchtigten Waliser, hatten jedoch wenig Mühe mit den Waffenknechten der ersten Welle. Zwei riesige Kerle hieben mit ihren Eineinhalbhändern auf die tapferen Français ein. Die Streitäxte zum Schutz über den Köpfen, sausten die Schwerter der Engländer auf sie nieder und endeten erst tief im Brustkorb der Bedauernswerten.
Bernhard van Stafenhagen trieb seine Leute nach vorn. Er selbst, ein sonst eher vorsichtiger Mann mit breiten Schultern und schönem Gesicht, war seinen Männern bereits auf die Mauern gefolgt. Seine leuchtenden Farben auf dem Wappenrock wirkten auf die Eisenhüte wie ein gelbes Tuch auf Fliegen. Sie hielten zu diesem Zeitpunkt eine kleine Ecke um einen überhängenden Außenturm. Der kleine Turm war schlecht zu verteidigen, und an die zwanzig Eisenhüte lagen bereits erschlagen auf der Mauer.
Van Stafenhagen war ein überaus geschickter Kämpfer, und sein dicht gewirktes Kettenhemd hielt sonst dabei auch tödliche Stiche und Hiebe auf. Der Anführer, der auch in Friedenszeiten so einige Ehrenhändel bestritten und gewonnen hatte, kämpfte hier mit dem Streitkolben und seinem geschwungenen Kurzschild. Bei früheren Streitigkeiten dieser Art war der Anlass meist die Damenwelt. Er und der Junker nahmen sich in dieser Hinsicht nicht viel. De Dijon war der Ansicht, dass der sicherste Platz für die beiden Herren im Krieg sei. An die dreitausend Kämpfer folgten van Stavenhagens Befehl.
Die großen Torsionsschleudern, welche das griechische Feuer weit in die Feste trugen, wurden zu diesem Zeitpunkt durch Ulrich von Lechtenberg befehligt. Dieser hatte nur ungern die Geschütze übernommen. De Dijon hatte ihm dafür aber die Teilnahme am Endkampf in der Burg zugesichert und auch einem fetten Anteil an der Beute.
Dietrich hatte mit seinen Leuten den Beginn des Angriffs auf das Haupttor beobachtet und nach den Einschlägen in die Türme seinen Plan entwickelt.
Einige immerhin noch kampffähige Männer aus anderen Zellen hatten sich ihnen angeschlossen. Sie zählten nun an die dreißig Mann, von denen bereits zwölf perfekt wie Engländer aussahen. Sieki wollte in den Weiberröcken bleiben und die Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
»Macht euch bereit! Wenn die Mörser wieder donnern, laufen wir über die Freifläche zur Torburg. Wir nutzen die Verwirrung und greifen sie überraschend an. Alles muss schnell gehen. Es muss gelingen, die Zugbrücke herunterzulassen und das schwere Tor zu öffnen.«
Der Feuerbefehl zum zweiten Schuss löste die Anspannung. Das getroffene Fallreep hing schräg an den Führungsseilen. Ein Pfeilhagel schlug den noch benommenen Engländern entgegen. Viele Verwundete verstopften die Gänge, und blutverschmierte Kämpfer der Normannen rangen nach Luft im Staub der brechenden Mauern.
Brian Jones, der Anführer der Armbrustschützen, eilte die Treppe hinab, um sich den Torschaden anzusehen.
Unten traf er auf kampffähige Männer, die gerade in die Toranlage rannten.
»Zu mir und sofort das Tor verstärken!«, rief er ihnen zu. »Was macht das Weib denn hier, ihr dummen Hunde?«
Als
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