Im Kettenhemd (German Edition)
herunterschmetterte. Eine gehörige Staubwolke nahm ihnen für kurze Zeit die Sicht.
Von Bingen rief seinen Männern zu: »Achtet mir darauf, wen ihr dort antrefft. Es könnten auch Männer des von Seidenpfad hinter diesem Tor stehen.«
Noch immer war das innere Haupttor geschlossen, und als man sich schon zum Sturmangriff wappnete, öffnete sich auch dieses letzte, schwere Tor und gab den Blick frei auf die Anlagen der Festung. Wenn sie erst drinnen wären, würde ihnen der härteste Kampf dieses Feldzuges bevorstehen. Dort, in der Höhle des Löwen, erwartete auch viele von ihnen der Tod. Kein Soldat wird jedoch vor einem Kampf diesen Gedanken in sein Bewusstsein eindringen lassen.
Noch bevor der Sturmangriff begann, schickte der Junker den schnellsten Meldereiter los. Dieser junge Knappe sollte nun von Lechtenberg und den Marburgern das Ende des Beschusses mit Feuerbränden ankündigen. Sie hatten bis dato etwa jede halbe Stunde einen Topf von diesem Teufelszeug in die Burgstadt geschossen und so die Engländer nicht zur Ruhe kommen lassen.
Von Bingen ließ sein erhobenes Schwert herab. Als die Spitze auf das Tor zeigte, setzte ein ohrenbetäubendes Gebrüll ein, und die Kämpfer der Français stürmten durch das weit geöffnete Tor. Zunächst trafen sie auf keine Gegenwehr, denn die Besatzung der nächstgelegenen Mauer war zu überrascht von den Geschehnissen.
Erst als Dietrichs Männer das Tor aufrissen, wurden sie aufmerksam. Es verging wertvolle Zeit, bis sie begriffen, dass diese Engländer in der Torburg keine der Ihren waren.
Dietrichs Männer und auch er selbst hatten die englischen Wappenröcke abgelegt. Als die Sturmspitzen durch das Tor drangen, knieten er und seine Männer nieder, um den angriffslustigen Kerlen gleich das richtige Zeichen zu setzen. Schnell hatte der Rottenführer die Situation erkannt und seine Männer abgedrängt.
»Baron von Seidenpfad, wollt Ihr den Angriff selbst führen? Es wäre uns eine Ehre!«, fragte dieser, nun selbst vor ihm kniend.
»Das würde ich gern tun, allein die Kerkerhaft hat uns allen hier zu sehr zugesetzt, sodass ein Sturmangriff zu Fuß heute nicht unsre Sache ist.«
Der Mann verneigte sich und wendete sich eben seinen Kämpfern zu, als ihm unerwartet ein englischer Pfeil mitten durch den Hals fuhr. Tödlich getroffen, brach er blutüberströmt mit einem letzten gurgelnden Geräusch zusammen.
»Vorwärts!«, rief Dietrich nun den Kämpfern zu. »Rächt den Tod eures Hauptmanns!«
Die Schilde hoch, brachen gleich darauf seine Männer in die Wehrgänge der Hochmauern ein und zerschmetterten jeden, der sich ihnen entgegenstellte. In unbändiger Wut drangen die Soldaten so heftig vor, dass sie selbst tiefe Wunden erst später bemerkten. Am Eckturm der Südmauer trafen sie dann auf ernsten Widerstand der sich verzweifelt wehrenden Eisenhüte. Einige normannische Ritter hatten hier die Verteidigung in der Hand und schlugen hart auf die französischen Sturmspitzen ein.
Der Auftakt hatte begonnen und immer mehr Kriegsvolk drang nun durch die Bresche nach Gaillard vor.
Dietrich zog sich mit Karl und seinen Männern unter die Mauern der Torburg zurück, um nicht länger im Schussbereich der englischen Bogenschützen zu verweilen. Sieben kampffähige Männer waren ihm geblieben. Zwei Mann waren tot und der Rest verwundet. Jetzt, wo sein Plan zu diesem großartigen Erfolg geführt hatte, konnte er kaum glauben, was geschehen war.
Plötzlich jedoch rannte Karl, mit einem Speer bewaffnet, in Richtung dieses Eckturms.
»Wo willst du verrückter Kerl denn hin?«, rief ihm Dietrich zu und befahl, Karl nachzueilen und ihn mit Schilden zu schützen.
Karl hatte einen waren Wüterich unter den Normannen ausgemacht, der schon einige Français über die Zinnen geworfen hatte. Als dieser mit hocherhobenen Armen sein Langschwert wieder auf seine Feinde niederschlagen wollte, durchbohrte ihn Karls Lanze genau unter der Achsel.
»Wahrlich, ein gewaltiger Wurf, Herr«, staunten die herbeigeeilten Männer der Sturmtruppe.
Der Kampf um die Südspitze war in vollem Gange, als Burkhart von Bingen, gefolgt vom Rest seiner Krieger, nun ebenfalls durch das Haupttor ritt. Hoch zu Ross stand er vor Dietrich und verneigte sich tief: »Das war eine Meisterleistung, mein lieber Baron. Nicht genug, dass Ihr dem Kerker entkommen seid, habt Ihr auch noch die Kerle überlistet und diese Wehr überwunden. Der König wird Euch dafür sicher hoch belohnen.«
Von Bingen war voller Bewunderung für seinen
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