Im Kettenhemd (German Edition)
gerade recht kam. Es fanden sich noch ein paar Schluck darin, die ihm ein zufriedenes Augenrollen entlockten. »Wirklich ein guter Zeitpunkt für dieses Unternehmen«, frohlockte Sieki. »Gott sei Dank sind die Kerle durch den Angriff da draußen gut beschäftigt.«
Als sie eben um die Ecke biegen wollten, hörten die Männer ein Geräusch, welches aus einer Zelle kam, deren Tür merkwürdigerweise leicht offenstand. Karl drückte mit dem Fuß gegen die Eichenbohlen. Als sie nachgab, sahen sie einen Kerl auf einer groben Holzpritsche liegen. Der schnarchte, und allen war sofort klar, das musste der Kerkermeister sein. Sein Schwert stand in der Ecke und war sicher schon ganz verrostet.
»Außer Saufen hat der doch hier unten nichts weiter zu tun. Ich werde ihn wecken«, sprach Karl mit etwas Schadenfreude in der Stimme. Ein kräftiger Tritt gegen das wacklige Gestell ließ dieses in sich zusammenbrechen, und der Schläfer rollte auf den Boden. Entsetzt riss er die Augen auf und schaute in die Runde, als wäre er in einer anderen Welt.
»Wer seid ihr und was wollt ihr von mir?«, rief der einarmige Wächter der »Unterwelt«. Der Mann sah fast genauso schlimm aus wie seine Gefangenen. Außer dünner Suppe, etwas Brot und Wein, ja vor allem Wein, bekam er wohl nichts in den Magen. Seine zottigen Haare hatten sich bereits mit denen aus den Ohren verbunden und die grauen Bartstoppeln sahen aus wie abgebrannt.
»Los, die Schlüssel her! Und dann wäre es für dich besser, wenn du Brot und Kleidung für uns hättest.« Dietrich ging nun hin, zog ihn vom Boden hoch und sagte mit bedrohlicher Stimme: »Wo hast du meine Sachen hin und … wo ist mein Kettenhemd?«
Als der Kerl gerade antworten wollte, hielt ihm Sieki die Spitze seines eigenen Schwertes an den Hals: »Überlege gut und gib keine falsche Antwort!«
»Schon gut!«, wisperte der arme Teufel. »Ich habe eine Zelle mit Sachen von Gefangenen, jedoch haben die Soldaten des Lords auch so einiges mitgehen lassen. Wenn ihr wollt, bringe ich euch dorthin. Ihr werdet mich doch dann nicht töten?«, fragte er voller Sorge.
»Voran, bring uns hin! Beeil dich und mach keine Schwierigkeiten, dann wirst du auch morgen noch die Sonne sehen«, gab ihm Dietrich zurück.
Unweit von dem Tisch bog ein schmaler Gang ab, an dessen Ende sich eine Tür ohne Fenster befand. Der Gang wurde nur durch eine Fackel schwach beleuchtet und hätte ebenso eine Falle sein können. »Bringt die Fackel!«, rief Karl den Seeleuten zu. »Hier ist es dunkel wie im Arsch von Lord Eshby.« Gelächter, welches die Männer aufheiterte, war eine willkommene Abwechslung nach all den grauen Tagen.
»Hier ist es. Drinnen sind noch zwei Fackeln«, faselte der Wächter mit ängstlichem Unterton. Der Wein hatte wohl allen Mut aus seiner Seele gespült und dann ein solches Wrack aus einem ehemaligen Krieger gemacht. Die Fackeln erhellten ein wenig den Raum. Hier fanden sich Dinge, die einige der Männer schon lange nicht mehr zu Gesicht bekommen hatten und die jeder gern für sich beansprucht hätte.
»Eine wahre Fundgrube!«, rief Karl völlig außer sich. Schöne Gewänder, Helme aller Art, Waffen und Trutzen aus aller Herren Länder.
»Da hast du ja so einiges zusammengetragen, du alter Halunke«, kam es über Dietrichs Lippen. Er stöberte sogleich zwischen den Rüstungen und Sätteln, auf der Suche nach seiner Ausrüstung. Dietrich kannte seine Dinge genau und hoffte, auf sein Kettenhemd zu stoßen. Alles war von gutem Zeug und hätte seinem Besitzer ein stattliches Sümmchen eingebracht. »Du alter Scherge, wo ist mein Kettenhemd? Wenn du es nicht mehr findest, schneide ich dir deine Haare ab!«, drohte Dietrich.
»Seht dort hinten nach«, sprach der Kerl ängstlich und deutete auf einen Haufen mit Kettenzeug und Platten. Karl war ihm zur Seite, und zusammen fanden sie unerwartet den Sattel mit Dietrichs Familienwappen. »Na also, und jetzt …«, aber da hatte Dietrich schon das Armkleid seines Kettenhemdes in der Hand. »Wunderbar, jetzt hauen wir sie in Stücke«, kam es wie von selbst über seine Lippen.
»Hast wohl gedacht, das Ding sei wertlos, he?«, fauchte er den Wächter an.
So schnell es eben ging, rüsteten sich alle aus, denn draußen würde sie bestimmt nichts Gutes erwarten.
Karl hielt einen Weiberrock in den Händen und meinte, der würde Sieki gut stehen. »Du blöder Kerl, denkst wohl, ich wüsste nichts damit anzufangen? Gib her«, rief Sieki, »ich besorge uns damit draußen englische
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